- Wirtschaft und Umwelt
- Streit um Stahlzölle
Transatlantisches Tauwetter
EU und USA legen vorerst Streit um Strafzölle auf Stahl und Aluminium bei
Donald Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind Geschichte. Am Rande des G20-Gipfels in Rom am Wochenende entschärften EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden den Zollkonflikt, den Trump entfacht hatte. Der damalige US-Präsident hatte im Jahr 2018 Zölle von 25 Prozent auf europäischen Stahl und von zehn Prozent auf Aluminium verhängt. Trump erfüllte damit ein Wahlversprechen. Die Zölle sollten die heimische Industrie vor ausländischen Wettbewerbern schützen.
Die Grundsatzeinigung zwischen Biden und von der Leyen sieht nun vor, dass aus den EU-Staaten künftig bestimmte Mengen an Stahl und Aluminium zollfrei in die Vereinigten Staaten importiert werden dürfen. Die EU hebt dafür Sonderzölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans auf. Sie waren als Antwort auf die 2018 von Trump eingeführten Stahl- und Aluminiumzölle erlassen worden.
Doch das Übereinkommen hat zwei Haken. Zum einen ist es, wie kann es anders sein, nur ein Kompromiss. Das jetzt vereinbarte Volumen bleibt hinter den Spitzenwerten beim bilateralen Warenhandel deutlich zurück: 2018 hatten die EU-Staaten 5,2 Millionen Tonnen Stahl in die Vereinigten Staaten eingeführt. Nach den Trump-Zöllen war der Handel auf 2,4 Millionen Tonnen eingebrochen. Nun akzeptierte Biden maximal 4,4 Millionen Tonnen Stahl und 384 000 Tonnen Aluminium. Etwa die Hälfte davon dürfte aus deutschen Werken stammen. Deutschland ist der größte Stahlerzeuger in der EU. Auf EU-Exporte, die über die neue Höchstmarke hinausgehen, werden weiterhin Zölle fällig.
»Auch Biden sind die Wähler in den vom Handel womöglich negativ betroffenen Bundesstaaten wichtiger als wohlklingende Bekenntnisse zum Freihandel«, kommentiert die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« den Deal. Biden steht mit seinem Klimapaket und dem billionenschweren Wiederaufbauprogramm unter politischem Druck. Konservative in seiner demokratischen Partei, wie Senator Joe Manchin aus dem kohle- und stahlreichen West Virginia, bedrohen seine knappen Mehrheiten im Kongress.
Vertreter der deutschen Wirtschaft begrüßen den Kompromiss zwischen Europäischer Union und den Vereinigten Staaten. Der Maschinenbauverband VDMA sprach am Montag von einem »Meilenstein« für eine positive transatlantische Handelsagenda. Jetzt müssten aber weitere Schritte folgen. Der größte deutsche Stahlerzeuger ThyssenKrupp erklärte, es handele sich um einen sehr begrüßenswerten Schritt. Auch an der Börse kam die Einigung gut an.
Damit scheint der Tiefpunkt der transatlantischen Handelsbeziehungen überschritten. Doch auch die EU hält sich eine Hintertür offen. Handelskommissar und Vizepräsident Valdis Dombrovskis begrüßte zwar ebenfalls die Übereinkunft. Ließ aber zugleich wissen, dass die EU ihre Klage gegen die Stahlzölle vor der Welthandelsorganisation WTO nur ausgesetzt und nicht zurückgezogen habe. Bereits im Juni hatten EU und USA Strafzölle auf Produkte wie Wein, Ketchup oder Flugzeuge bis 2026 ausgesetzt.
Die Vereinbarung soll es vor allem ermöglichen, den Streit über staatliche Hilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing und seinen europäischen Rivalen Airbus zu lösen. Seit über 17 Jahren streiten beide Seiten über die jeweiligen Subventionen. Beide hatten von der WTO teilweise recht bekommen. Während der Amtszeit von Bidens Vorgänger bekamen die USA von der internationalen Institution daher die Erlaubnis, Strafzölle in Höhe von 7,5 Milliarden Dollar gegen Waren und Dienstleistungen aus der EU zu verhängen. Ein Jahr später erhielt die EU von der WTO die Genehmigung, ihrerseits US-Importe mit Strafzöllen über vier Milliarden Dollar zu belegen.
Auch beim Stahl ist eine nachhaltige Lösung noch fern. So gibt es global seit langem erhebliche Überkapazitäten. Und die Stahlindustrie gilt als Dreckschleuder. In Deutschland ist die Branche laut Bundeswirtschaftsministerium für rund 30 Prozent der industriellen Emissionen und rund sechs Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich. Die meisten sehr energieintensiven Stahlöfen werden mit Kohle befeuert.
Rund die Hälfte des weltweiten Rohstahls wird in China hergestellt. Davon wird zwar nur eine kleine Menge exportiert, aber mit 50 Millionen Tonnen in 2020 genug, um den Managern der westlichen Konkurrenz Sorgen zu bereiten. Anderseits führt China hochwertige Stähle ein. Laut der Nachrichtenagentur Xinhua waren es rund 20 Millionen Tonnen. Insofern scheint die »rote Gefahr«, die von Lobbyisten gerne an die Wand gemalt wird und die ihren Teil zum Zolldeal beigetragen haben dürfte, eine Übertreibung zu sein.
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