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Und immer geht es dabei auch um Liebe
»Mein Sternzeichen ist der Regenbogen«: Rafi Schamis Erzählungen haben etwas ungezwungen Didaktisches
Jedes neue Buch von Rafik Schami ist ein Lektürefest für alle, denen Geschichten am Herzen liegen - groteske, komische, humorvolle, aber auch traurige. Die ganze Spannbreite menschlichen Lebens eben. Sie zu entfalten, darin ist Schami meisterlich. Er wurde 1946 in Damaskus geboren lebt und seit fünfzig Jahren in Deutschland. Über die Zeit hat er so seinen ganz eigenen Beitrag in die deutsche Literatur eingebracht. In seinem neuen Buch »Mein Sternzeichen ist der Regenbogen« versammelt er Geschichten, die thematisch geordnet sind. Es geht um Geburt, Lachen, Sehnsucht, Tiere, Reisen und Geheimnisse, - um menschlich Existenzielles, das, wie Schami in einer kurzen Vorrede sagt, »den größten Teil der Weltliteratur« umfasse - »und immer geht es dabei auch um Liebe.«
Schamis Erzählweise, die von der kurzen Episode und Formen der Kurzprosa über die längere Erzählung bis zum Romanhaften reicht, ahmt - auch wenn sie schriftlich fixiert ist - das mündliche Erzählen nach und lässt die alte orientalische Tradition von »1001 Nacht« aufscheinen, die zugleich immer auch etwas ungezwungen Didaktisches an sich hat. Und zwar in dem Sinne, wie Walter Benjamin einmal hellsichtig bemerkt hat, dass im mündlichen Erzählen menschliches Wissen und elementare moralische Weisheiten ihren unbestreitbaren Platz haben.
Diese These würde Schami gewiss unterstützen, denn in seine Geschichten fügt er immer auch noch kleinere theoretisch gehaltene Reflexionen ein. Des Weiteren schreibt er mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen in seine Texte selbst hinein. So entsteht eine selbstreflexive Prosa, bei der sich der Autor und Erzähler zugleich über seine syrische Herkunft, die verzweifelt-verzwickte politische Situation des Heimatlandes, die Übersiedlung nach Deutschland und seine zweite Sozialisation mit seinen Lesern verständigt. Er sei, schreibt er eingangs in einer Erzählung, »gierig nach Geschichten«; einer, der etwas aufschnappt oder erzählt bekommt, was wiederum - poetologisch - Ideen für andere, weitere Geschichten, ja, einen wahren Geschichtenkranz, enthält.
Und so finden sich autobiografische Episoden wie in der Geschichte, die diesem Band den Titel gab. Darin erzählt Schami davon, dass in Syrien, wie eigentlich im gesamten arabischen Raum, das genaue Geburtsdatum eines Menschen keine so große Rolle wie hierzulande spielte, ja oftmals gar nicht erst aufgezeichnet werde. Deshalb gehe in die Irre, wer sich an Sternzeichen zu orientieren versucht, was die Jugendfreundin Antoinette schmerzlich feststellen muss, als sie Schami anhand des vermeintlichen Sternzeichens Krebs zu beschreiben versucht. Nein, so funktioniert das einfach nicht; darum bemerkt der Erzähler dann listig am Ende: »Ich glaube, mein Sternzeichen ist der Regenbogen, von jedem Sternzeichen eine Farbe.«
Es finden sich ebenso augenzwinkernd erzählte groteske Geschichten wie die über die Rache Salmas, die nach Jahrzehnten ihren Mann Habib an dessen (vermutlich) 65. Geburtstag und nach reiflichen Überlegungen verlässt, nachdem die Geburtstagsfeier mit Freunden und Kollegen in einem Fiasko geendet ist. Oder die über Herrn Sanders Geburtstagsfest bei seinem Lieblingsitaliener, wo nach und nach die verflossenen Geliebten auftauchten - im Schlepptau jeweils Sprösslinge aus Sanders Lenden - , bis er, vom Herzinfarkt erwischt, im Krankenhaus wieder aufwacht. Vielleicht war doch alles nur ein Albtraum?
Schamis Geschichten lassen einen schmunzeln und lächeln, aber zugleich auch über die eigenen Befindlichkeiten nachdenken und verleiten allemal zum lebensphilosophischen Sinnieren. Fluchtpunkt könnte dabei der Gemütszustand sein, den Schami mit Blick auf die Sehnsucht feststellt: »Die Sehnsucht ist ein sehr komplexes Gefühl. Ihr Kern ist das Verlangen nach dem Utopischen, Unerfüllbaren. Nicht selten ist das Ziel der Begierde eine Person, eine Landschaft, ein Ort, eine Zeit (zum Beispiel die Kindheit) oder eine positive Zukunft. Sehnsucht ist ein individuelles Gefühl, und nur manipulierende Ideologen machen daraus die Sehnsucht einer ganzen Nation oder eines Volkes oder einer Bewegung.«
Rafik Schami: Mein Sternzeichen ist der Regenbogen. Hanser, 320 S.-, geb., 23 €
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