Klimakiller Wegwerf-Mode

Die Textilindustrie verursacht zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen

  • Markus Keimel
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin Alexanderplatz. Eine junge Frau steht in der Filiale einer günstigen Modekette. Sie sucht sich zwei neue Kleider. Weil ihr das Rote und Gelbe gut gefallen, wagt sie einen Blick auf das Preisschild und feiert. Acht Euro bedeuten nämlich nicht, dass man nur eines davon kauft – sondern vier oder fünf. Gefertigt wurde das Kleid vielleicht ebenfalls von einer jungen Frau, etwa in China. Für 270 Euro monatlichen Mindestlohn. So wie 84 Prozent aller chinesischen Wanderarbeiterinnen arbeitet sie in der Woche weit über 44 Stunden, oft ohne Arbeitsvertrag. Kein Anspruch auf Rente. Keine Krankenversicherung. Sie versucht lediglich, ihre Familie zu ernähren, die auf dem Land zurückgeblieben ist. Zwei Seiten desselben Kleides.

Textilien werden heutzutage erst um die halbe Welt befördert, bevor sie in den deutschen Shops landen. Die ökologischen Schäden dieser globalen Arbeitsteilung sind immens. Zehn Prozent des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen werden durch Herstellung und Transport von Kleidung verursacht. Im Jahr 2011 waren das 850 Millionen Tonnen CO2. Das ist mehr Kohlenstoffdioxid, als der internationale Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen erzeugen. Hinzu kommt die regelrechte Verschwendung von Wasser. Im Jahr 2015 verbrauchte die Bekleidungsindustrie um die 79 Milliarden Kubikmeter Wasser, 2700 Liter pro Shirt. Rund 20 Prozent der weltweiten Wasserverunreinigung lässt sich zudem auf die Färbeverfahren zurückführen. Damit nicht genug zählt die Textilindustrie auch zu den größten Mikroplastik-Verschmutzern weltweit.

Laut Angaben des Fachmagazins »Textile Network« wurden im Jahr 2018 über 111 Milliarden Tonnen Fasern hergestellt, von denen etwa 70 Prozent Kunstfasern waren und nur 30 Prozent Naturfasern. Das Problem dabei: Fast ein Drittel der Gesamtmenge an Mikroplastik, das am Ende im Meer landet, sind Plastikfasern von Textilien. In Zahlen sind das etwa eine halbe Million Tonnen Mikrofasern, die schlussendlich im Ozean landen. Mikroplastik konnte dort bereits in Meerestiefen von über 8000 Metern gefunden werden.

Kleidung wird besonders in westlichen Ländern vermehrt als Wegwerfware konsumiert. Dadurch entstehen gigantische Mengen an Müll. Das Amsterdamer Label Labfresh, das auf ökologische Mode spezialisiert ist, hat einen Fashion-Waste-Index veröffentlicht, in dem 15 europäische Länder analysiert wurden, die für die größten Mengen an jährlich produziertem Textilmüll in Europa verantwortlich sind. In Deutschland sind es fast 392 000 Tonnen. Recycelt wird weltweit nur ein Prozent der weggeworfenen Kleidung.
Inzwischen gibt es jedoch viele Marken und Hersteller, die auf nachhaltige Mode-Produkte setzen. Zwischen 2011 und 2020 verzehnfachte sich der Umsatz von Fairtrade-Textilien in Deutschland auf 178,5 Millionen Euro. Damit entwickelt sich grüne Mode zu einer ernstzunehmenden Alternative, sagt die Green-Fashion-Expertin Dominique Ellen Van de Pol. Fair Fashion sei kein kurzlebiger Trend wie etwa ein Modewechsel. Es gehe mit einem weltweiten Wertewandel einher. »Gerade jüngere Generationen betrachten das Thema als existenziell, weil sie wirklich das Gefühl haben, dass die gesamte Lebensplanung vom Thema Ökologie abhängt. Obwohl man bereits bei Discountern und großen Ketten zertifizierte Produkte vorfindet, ist es aber leider immer noch zu viel Nische«, sagt Van de Pol.

Besonders Discounter, aber auch namhafte Modeketten vermögen es dabei immer wieder, den Konsumenten zu täuschen. Um der Schönfärberei nicht auf den Leim zu gehen, hat die Umweltorganisation Greenpeace einen Textil-Siegel-Check durchgeführt. »IVN Best« wurde dabei als strengstes ökologisches Siegel am Markt angeführt. Produkte mit Polyester-Anteil können beispielsweise nicht mit dem Siegel zertifiziert werden. Dahinter folgt das »Global Organic Textile Standard«-Siegel. Dieses setzt mindestens 70 Prozent Naturfasern aus biologischem Anbau voraus. Zudem verbietet es alle elf Detox-Chemikalien, die für Mensch und Umwelt schädlich sind. Auch »Made in Green« aus der Oeko-Tex-Familie gilt laut Greenpeace als sehr strenger Standard in Sachen nachhaltiger Kleidung.

Wer grüne Mode kauft, muss aber leider oft tief in die Tasche greifen oder fühlt sich stilistisch nicht verstanden. »Viele Labels drucken bloß Shirts und Hoodies. Ausgefallene oder elegante Mode findet man kaum beziehungsweise ist diese dann einfach zu teuer«, sagt die Nachhaltigkeitsexpertin Van de Pol. Von Klischees befreit sollte man »nachhaltiger Kleidung nicht ansehen, dass sie öko ist«, damit Green Fashion auch stylisch zu einer Alternative zu Fast Fashion werde.

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