Klimakrise mobilisiert global

Tausende Aktivisten fordern mehr als Ankündigungen beim Klimaschutz in Glasgow

  • Clara S. Thompson, Glasgow
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Wochenende voller Proteste für mehr Klimagerechtigkeit ging am Sonntag in Glasgow zu Ende, der Gastgeberstadt für die COP26, die 26. UN-Klimakonferenz. Bereits am Freitag waren ca. 25 000 Menschen auf einer Fridays-for-Future-Demonstration dabei. Auch internationale Klimaaktivist*innen wie Vanessa Nakate und Greta Thunberg sprachen auf der Abschlusskundgebung am George Square am Freitag. Diesen Tag hatte die Klimakonferenz als «Youth Day» (Jugendtag) bestimmt. Bei den Verhandlungen stand also die Frage im Mittelpunkt, wie die Öffentlichkeit und insbesondere junge Menschen bei die Bewältigung von Klimaproblemen einbezogen werden können.

Greta Thunberg, die Schüler*innen-Streiks initiiert hatte, brachte eine starke Kritik an dem Treffen der Staaten mit. Die Klimakonferenz sei ein «Green Washing»-Festival«, kritisierte sie. »Unsere Machthaber halten Sonntagsreden und verkünden toll klingende Ziele für mehr Klimaschutz. Aber hinter dem geschlossenen Vorhang weigern sie sich immer noch, endlich richtig zu handeln.« Später fasste sie ihre Rede noch metaphorisch zusammen: »Der Kaiser trägt keine Kleider«. Damit spielte sie darauf an, dass die Regierungen viele Pläne hätten, wie sie das Klima schützen könnten, aber noch viel zu wenige davon umgesetzt wurden. Konkret zeigt sich das etwa an der Verpflichtung von 80 Ländern, ihren Methan-Ausstoß bis 2030 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 2020 zu senken. Beteiligt sind zwar mehrere Staaten, die für rund die Hälfte der weltweiten Methan-Emissionen verantwortlich sind, einige der größten Emittenten wie China, Indien, Russland und Australien schlossen sich dem Vorstoß jedoch nicht an. Methan gilt als eines der gefährlichsten Treibhausgase.

Ein weiteres Thema der Reden war die Exklusivität der UN-Konferenz. Aktivist*innen riefen dazu auf, indigenen Stimmen in der Klimadebatte und auch auf dem Treffen der Staaten mehr Raum zu geben. Ein Klimaaktivist aus Westpapua erzählt, dass sein Vater ermordet wurde, weil er Musik gemacht hatte, die der indonesischen Regierung nicht gefallen hätte. »Unsere Regierungen schützen uns nicht, sie töten Tiere und uns«, sagte er. »Wir sind nur wenige indigene Menschen auf der Welt und dennoch beschützen wir mehr als 80 Prozent des Regenwalds. Deswegen muss uns zugehört werden.« In Westpapua befindet sich einer der größten Regenwälder der Welt, zugleich einer der letzten intakten tropischen Regenwälder Asiens. Wie am Amazonas sind auch diese Bestände von Abholzung bedroht, unter anderem um Platz für Palmölplantagen zu machen.

Bei der Klimakonferenz zählte Indonesien zu den 110 Staaten, die bis 2030 den weltweiten Verlust von Wäldern stoppen wollen. Umweltschützer hatte die Zusagen, die außerdem auch von anderen Urwaldstaaten wie Brasilien und Kongo stammten, als zu vage.

Die nachrangige Behandlung nichtstaatlicher Akteur*innen zeigt sich auch an deren Einreiseschwierigkeiten aufgrund verspäteter Visa und wegen Covid-19-Beschränkungen. Vor allem Aktivist*innen und Delegierte aus dem globalen Süden konnten deswegen nicht rechtzeitig bei der Konferenz sein.

Angeführt wurde der Protest von indigenen Gruppen

Am Samstag fand der große Protesttag zur Halbzeit des Klimagipfels statt. Auf vielen Kontinenten versammelten sich Menschen zu Märschen und Kundgebungen, um an dem globalen Aktionstag für Klimagerechtigkeit teilzunehmen, in Europa unter anderem in Lausanne, Zürich und Dublin, in Australien in Sydney und Melbourne.

In Glasgow nahmen laut den Veranstalter*innen 150 000 Menschen an einer Demonstration durch die Innenstadt teil. Angeführt wurde der Protest von indigenen Gruppen und Aktivist*innen aus dem Globalen Süden. Für die Demonstration in Glasgow hatte im Vorfeld ein breites Bündnis aus Klimagruppen, Gewerkschaften, Krankenschwestern, Landwirten, Parteien und indigenen Gruppe mobilisiert. Die Veranstaltung wurde von der COP26-Coalition organisiert, einer Gruppe, die seit zwei Jahren auf die Klimakonferenz in Glasgow hin arbeitete.

»Uns ging es bei dieser Demonstration darum, vor allem Gruppen aus dem globalen Süden, die zu selten eine Plattform bekommen und Gruppen, die in der Klimabewegung nicht immer präsent sind, wie zum Beispiel Gewerkschaften, in den Fokus zu stellen«, sagt Quan Nguyen für das Bündnis. »Wir wollen zeigen, dass Klimaschutz alle angeht und wir in der Klimakrise solidarisch zusammenstehen.«

Der Marsch am Samstag wurde von indigenen Aktivist*innen angeführt. Das waren unter anderem Ureinwohner aus dem Kahnawake-Mohawk-Territorium in Quebec, Kanada, und die »Global Alliance of Territorial Communities«, ein Netzwerk indigener und lokaler Gemeinschaften aus dem Amazonasgebiet sowie aus Brasilien, Indonesien und Mittelamerika.

Laut Gary Ritchie, stellvertretender Polizeipräsident von Schottland, sei der Tag »weitgehend ohne Zwischenfälle« verlaufen, aber »eine Gruppe von Menschen wurde von Beamten aufgehalten, nachdem sie unter anderem Pyrotechnik einsetzten und den Zug zum Stillstand brachten«. Eine Person wurde nach dem Marsch verhaftet. Bereits am Vormittag kam es zu 21 Festnahmen. Aktivist*innen von der Gruppe »Scientists for Future« blockierten eine Straße in der Innenstadt und ketteten sich dort aneinander. Die Proteste gingen auch am Sonntag, dem Ruhetag der Konferenz, weiter.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
Dazu passende Podcast-Folgen:

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -