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Entgeltfortzahlung trotz Covid-19-Quarantäne?

wie gerichte urteilen

  • Lesedauer: 4 Min.

Arbeitnehmer müssen sich nicht mit der Entschädigung für die Arbeitszeit in Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz begnügen. Die AG Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert in diesem Zusammenhang über eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen (Az. 1 Ca 3196/20), das am 30. März 2021 veröffentlicht wurde.

Der Arbeitnehmer wurde wegen Kopf- und Magenschmerzen krankgeschrieben. Sein Arzt führte zudem einen Covid-19-Test durch und meldete das positive Ergebnis dem zuständigen Gesundheitsamt. Das ordnete daraufhin wenige Tage später Quarantäne an. Im Nachgang fiel der Covid-19-Test des Arbeitnehmers allerdings negativ aus.

Als die Arbeitgeberin von der Quarantäneanordnung erfuhr, zog sie den zunächst an den Kläger gezahlten Lohn von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus. Sie begründete dies damit, dass bei einem Zusammentreffen von Quarantäne und Erkrankung Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz die Lohnansprüche verdrängten.

Die Klage des Arbeitnehmers auf Zahlung des Lohns war erfolgreich. Das Arbeitsgericht stellt fest, dass der Arbeitnehmer trotz der angeordneten Quarantäne weiterhin einen Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Krankheit hat. Es sei zwar richtig, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Arbeitsunfähigkeit voraussetzt. Da der Betroffene von seinem Arzt wegen der Kopf- und Magenschmerzen krankgeschrieben wurde, sei die Voraussetzung erfüllt. Der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz bestehe gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Entfalle der Verdienst nur aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Maßnahme, greife diese Entschädigung. DAV/nd

Die Zustimmung des Integrationsamtes fehlte

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes sei ein schwerwiegender Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 ArbGG, der eine Entschädigung von vier Monatsgehältern rechtfertige.

Der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des Verbandes deutscher Arbeitsrechts-Anwälte (VDAA), geht auf diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Az. 10 Sa 49/20) vom 17. Mai 2021 nachfolgend näher ein.

Im entschiedenen Fall kündigte der Arbeitgeber ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Hiergegen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage und verlangte weiter die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern.

Laut Gericht habe der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 ArbGG. Der Arbeitgeber habe den Arbeitnehmer unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, indem er das Arbeitsverhältnis ohne Anhörung des Integrationsamtes gekündigt habe.

Der Arbeitnehmer habe deshalb nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ArbGG Anspruch auf Entschädigung. Das Gericht hielt sie in Höhe von vier Bruttomonatsgehältern für angemessen, da der Arbeitnehmer monatelang mit einem schwebenden Kündigungsschutzverfahren belastet gewesen sei und der Arbeitgeber im erheblichen Maß das Sonderkündigungsschutzrecht des Klägers missachtet habe. VDAA/nd

Verletzt bei Angriff auf Gast - ein Arbeitsunfall?

Greift ein Mitarbeiter des Restaurants einen Gast an und verletzt sich dabei, liegt kein Arbeitsunfall vor. Daran ändert sich auch nichts, wenn sein Eingreifen aus berechtigtem Ärger über eine Beleidigung erfolgte.

Das Rechtsportal anwaltauskunft.de informiert in diesem Zusammenhang über eine Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart (Az. S 26 U 1326/19), die am 19. Mai 2021 getroffen wurde.

Der Kläger arbeitete in einer Subway-Filiale, als in der Nacht drei Männer das Schnellrestaurant betraten. Bei der Bestellung von einem der Männer kam es zu Differenzen. Nachdem die drei Männer gegessen hatten, wollte ein stark betrunkener Mann offenbar noch etwas beim Kläger und dessen Arbeitskollegen »klären«, wie er sich ausdrückte. Der betrunkene Mann bezeichnete den Arbeitskollegen des Klägers als »Wichser«.

Als Mann schließlich die Subway-Filiale verließ, schrie er noch das Wort »Hurensohn« in das Lokal. Daraufhin sprang der Kläger ihn von hinten an. Der betrunkene Mann stürzte, blieb aber unverletzt, während der Kläger mit einer schweren Wirbelverletzungen am Boden lag.

Der verletzte Arbeitnehmer berief sich auf einen Arbeitsunfall und klagte. Das Gericht wies die Klage ab. Es habe kein Arbeitsunfall vorgelegen, so das Gericht. Der Kläger handelte nicht in Erfüllung seiner Tätigkeit als Beschäftigter. Das Anspringen des Gastes geschah auch nicht zur Durchsetzung des Hausrechtes oder zur Aufrechterhaltung des Hausfriedens.

Eine derartige körperliche Attacke liege in keiner Weise im betrieblichen Interesse. Sie erfolgte nachweislich aus Ärger über die persönlichen Beleidigungen und nicht etwa aufgrund einer Beschwerde über das Essen oder den Service. Der dabei erlittene Gesundheitsschaden sei nicht vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. DAV/nd

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