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Aufrichtig Zeugnis ablegen
Geschätzte Dokumentarfilmerin: Tamara Trampe ist im Alter von 79 Jahren verstorben
Mit Preisen wurde sie nicht überschüttet. Aber der letzte, den sie in einer schönen Feierstunde kürzlich in der Akademie der Künste bekam, der Preis der deutschen Filmkritik, hat sie doch besonders gefreut. Und ihr anschließend gezeigter Film »Meine Mutter, ein Krieg und ich« beglaubigte die Preisvergabe.
Unter den merkwürdigsten Umständen kam sie zur Welt: als Kind einer Krankenschwester und eines Offiziers wurde sie im strengen Winter 1942 buchstäblich auf einem Acker bei Woronesh in der Ukraine geboren. Aus dem Kriegskind wurde ein Nachkriegskind und später dann - nach Abstechern in die DDR-Publizistik - eine geschätzte, kluge, hilfsbereite Defa-Mitarbeiterin. Als Dramaturgin und Beraterin hat sie seit 1970 zahlreiche Defa-Filme betreut, unter anderem von Hermann Zschoche (»Bürgschaft für ein Jahr«, 1981) und »Miraculi« (Ullrich Weiß, 1991), allesamt streitbare Filme, die sich - auch dank ihrer Mitarbeit - kräftig in DDR-Diskurse um das Zusammenleben der Menschen einmischten.
Als eigenständige Dokumentarfilmerin debütierte sie 1992 mit »Der schwarze Kasten« (zusammen mit Johann Feindt, ihrem Partner und Kameramann) und legte auf Anhieb nicht nur ihre bislang unbekannte Begabung für Dokumentarfilme vor, sondern auch einen geradezu sensationellen Start in dieser Branche: in einem eindringlichen Psychogramm analysierte sie einen höheren ehemaligen Stasi-Offizier, der als Dozent für operative Psychologie andere Stasi-Mitarbeiter ausbildete. Besonders durch ihre hartnäckigen, scharfen Fragen, auf die sich der Mann erstaunlicherweise auch einließ, enthüllte sie die schwierige Persönlichkeit dieses Mannes und sein fatales Eingebundensein in die Funktionen des DDR-Sicherheitsapparats. Tamara Trampe gelang damit ein einmaliges und bis heute mustergültiges filmisches Zeugnis für einen seriösen, sachgerechten und von Denunziationen freien Umgang mit der weiß Gott schwierigen Problematik.
Ihr letzter Film wurde ihr persönlichster: »Meine Mutter, ein Krieg und ich«. Sie mischte eigene persönliche Erinnerungen an die Orte ihrer Kindheit in der Ukraine und suchte nach Verwandten und nach ehemaligen Frontkameradinnen ihrer Mutter, Krankenschwestern in der Roten Armee wie sie. Sie fand kärgliche Spuren und alte Leute und ordnete sie zu einem Erinnerungs- und Gedenkfilm von großer, einfacher Eindrücklichkeit und Authentizität. Behutsam und taktvoll brachte sie auch ihre greise Mutter ins Bild, die bei ihr in Berlin lebte und ihr Kriegstrauma nie überwunden hat. Die sinnliche Kraft dieses Films wurde wesentlich von Trampe selbst bestimmt, die durch die Bilder ging, die die Gespräche führte und die Kommentare mit ihrer unverwechselbar rauchigen Stimme sprach. Die Allgegenwärtigkeit von Krieg, Nachkrieg und den folgenden Jahren wurde zu einem eindringlichen, sehr persönlichen und aufrichtigen Zeugnis.
In der letzten Zeit schrieb sie kurze Texte, feuilletonistische Miszellen, in denen sie Alltagsbeobachtungen, Erinnerungsschnipsel, poetisch durchgeformt festhielt und an ihre Freunde verschickte. Da blühte eine Altersbegabung auf, die sich nicht mehr entfalten konnte. Tamara Trampe ist letzte Woche im Alter von 79 Jahren verstorben.
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