- Berlin
- Schulreinigung
Blockade gegen saubere Klos
»Schule in Not« will konkrete Schritte bei Rekommunalisierung der Schulreinigung
Ryan Plocher ist sauer. »Ich bin Lehrer in Neukölln und unsere Toiletten sind nicht sauber, ich mag sie nicht benutzen, weil sie stinken und ich kann die Kinder verstehen, die nichts trinken, damit sie nicht auf diese Klos gehen müssen«, berichtet der Pädagoge, der an der Fritz-Karsen-Schule im Ortsteil Britz unterrichtet, am Mittwoch in der Pressekonferenz vom Bündnis »Schule in Not«.
Schon zum vierten Mal seit 2019 treten Interessensvertreter*innen einer Rekommunalisierung der Gebäudereinigung an Berlins rund 800 öffentlichen Schulen zusammen vor die Presse, um ihrem Anliegen - eine deutliche Verbesserung der Hygienestandards und eine faire Entlohnung der zuständigen Reinigungskräfte - mehr Druck zu verleihen. Denn konkrete Schritte, die zu gehen Senat und Bezirke seit nunmehr drei Jahren aufgefordert sind in Richtung Rückholung der vor Jahren unter Spardruck ausgelagerten Reinigung, gibt es keine, beklagt Susanne Kühne vom Bündnis.
»Wir stehen exakt bei Null, was Einstellungen betrifft, wir sind bei Null, was einen konkreten Plan betrifft«, erklärt Kühne, Sprecherin von »Schule in Not« und Mitglied der Linken im Bezirk Pankow. Vage Lippenbekenntnisse habe es einige gegeben, passiert sei nichts.
Kühne erinnert daran, dass die wohl zukünftige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schon vor einem Jahr erklärt hatte, dass sie sich ganz »aktiv für die Rekommunalisierung« einsetzen werde. Und Ende September, kurz vor dem Ende der letzten Legislaturperiode, hatte die Bildungsverwaltung unter der scheidenden Senatorin Sandra Scheeres (SPD) dann doch noch mit reichlich Verspätung einen vom Abgeordnetenhaus in Auftrag gegebenen Bericht zu den Vor- und Nachteilen einer Rekommunalisierung vorgelegt (»nd« berichtete).
Ein Bericht, sagt Kühne, dessen Inhalte darauf schließen lassen könnten, dass man im Haus von Sandra Scheeres das Vorhaben Rekommunalisierung nicht sehr ernst nimmt. Denn auch in diesem Bericht finden sich keine genauen Angaben zu den tatsächlich zu erwartenden Kosten bei einer zukünftigen Eigenreinigung, auf die das Bündnis drängt, und die von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich zu erwarten sind. Stattdessen müsse von »unseriösen Schätzungen« ausgegangen werden, wenn sich die laut Bericht angenommenen Mehrkosten »zwischen 21 und 260 Prozent« bewegen. Zudem sei ungenau gearbeitet worden, immerhin hätten acht Bezirke zugesagt, diese Kostenaufstellung übernehmen zu wollen, im Bericht sei aber nur von fünf die Rede gewesen, ärgert sich Kühne, die sich seit knapp drei Jahren bildungspolitisch engagiert.
Das Thema war, nachdem es in der letzten Legislatur trotz deutlicher Bekundungen von rot-rot-grünen Landespolitiker*innen, die sich für eine Rekommunalisierung ausgesprochen hatten, dann doch sang- und klanglos beerdigt worden. Immerhin, so heißt es am Mittwoch, habe es nun Eingang in die aktuellen Koalitionsgespräche gefunden. Man befürchtet aber, dass es am Ende auf »Modellprojekte« hinauslaufen werde, die das Vorhaben kein Stück voranbringen würden. »Wir wollen eine verbindliche Verankerung im Koalitionsvertrag, nichts anderes«, so Kühne.
Denn an der Ausgangssituation - dreckige Schulen bei enormem Preisdruck unter den Anbieterfirmen und schlechte Arbeitsbedingungen - hat sich keineswegs etwas verbessert, erklärt Erich Mendroch von der Gewerkschaft Verdi. »Die Mängel haben deutlich zugenommen«, so Mendroch. Zwar habe es durch die pandemiebedingte Tagesreinigung einen teilweise qualitativen Fortschritt gegeben - der sich allerdings, glaubt man Lehrkräften wie Ryan Plocher, mitunter auf die Desinfektion von Türklinken beschränkt.
Kein Wunder, denn die Zeit reicht den Reinigungskräften in den seltensten Fällen für die zu säubernden Räume - die Billiganbieter versprechen viel für wenig Geld, »das können sie gar nicht halten«, sagt Mendroch. Nach einem Jahr werden die Verträge dann wegen Unzufriedenheit bei der Qualität durch die Schulen gekündigt und der ganze Tanz geht wieder von vorne los.
Ein Teufelskreis, den man durchbrechen müsse, erklärt dazu Grundschullehrer Plocher, der sich auch in der Gewerkschaft Erziehung und Wissen (GEW) engagiert. In den letzten sieben Jahren habe er fünf Wechsel der Reinigungsfirmen an seiner Schule erlebt. »Die Beschäftigten haben keine Zeit, gut zu reinigen und keine Chance, ein respektierter Teil des Kollegiums zu werden, was aber wichtig und auch pädagogisch sinnvoll wäre«, sagt der junge Lehrer. Dann würden nicht nur die Kinder und Jugendlichen mehr dazu angehalten, zu lernen, auf Sauberkeit zu achten, weil dann nicht ein »gesichtsloses Wesen« dafür zuständig sei, sondern »Herr oder Frau Soundso«, meint Plocher. »In dreckigen Räumen lehrt und lernt es sich schlecht«, fügt er hinzu. »Wenn die Räume nicht ordentlich und sauber sind, hat auch ein Kind das Gefühl, dass es nicht wichtig genug ist.«
Solche Argumente finden in der bisherigen Debatte allerdings selten angemessenen Platz, vorgeschoben wurde vielmehr auch vom bisherigen Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Frage der Wirtschaftlichkeit der Eigenreinigung. Dabei stehen die dazu bekannten Fakten gänzlich für sich, erklärt Robert Kösling, der für die Gewerkschaften Verdi und GEW eine Anwendung erarbeitet hat, mittels derer die tatsächlich zu erwartenden Kosten präzise und zeitnah zu kalkulieren wären. Raumverzeichnis, Leistungsrichtwerte, Stundenverrechnungssätze, auch Neuanschaffungen und sogar die Waschmaschinengänge für die »Jobwäsche« der Beschäftigten - alles lässt sich bei dem Instrument zielgenau für jede einzelne Schule und jedes Dienstgebäude eingeben, so dass man am Ende weiß, wie lange eine Reinigung dauert und was sie kostet. Die Anwendung sei den Bezirken, die sich vor diesem Hintergrund mit konkreten Forderungen an den Senat wenden könnten, angeboten worden - doch es mangelt an der Bereitschaft, die Hilfe anzunehmen. Stattdessen geht das Ping-Pong zwischen Land und Bezirken weiter, die externen Reinigungskräfte arbeiten weiter prekär und die Schulen bleiben trotzdem dreckig.
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