- Wirtschaft und Umwelt
- Kaiser's Tengelmann
Nicht flexibel und wettbewerbsfähig genug
Edeka schließt ein von Kaiser’s Tengelmann übernommenes Lager und verstößt laut Verdi gegen eine Ministererlaubnis
Als Edeka die Filialen des insolventen Konkurrenten Kaiser’s Tengelmann übernehmen wollte, war der Widerstand zunächst groß. Die größte deutsche Lebensmittel-Einzelhandelskette würde damit noch größer und mächtiger, lautete der Einwand. Die Monopolkommission lehnte die Fusion ab, das Bundeskartellamt verweigerte die Erlaubnis. Letztlich machte ein Deal mit Konkurrent Rewe und vor allem eine Ministererlaubnis des damaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) die weitgehende Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka doch möglich.
Das Ganze war auch ein Erfolg der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. »Ein sehr guter Tag für die Beschäftigten bei Kaiser’s Tengelmann«, sagte der damalige Verdi-Chef Frank Bsirske, als sich Edeka und Rewe bei einer Schlichtung einigten. Denn Teil der Ministerialerlaubnis war auch die tarifvertragliche Absicherung von über 15 000 Kaiser’s-Tengelmann-Arbeitsplätzen für mindestens fünf Jahre. Neben den Filialen deckte die Jobgarantie auch das Fleischwerk, die Verwaltung sowie Lagerstandorte ab. Zum Jahreswechsel 2016/17 erfolgte dann die Fusion.
Nun, knapp fünf Jahre später, ist die Zeit für die rund 70 Beschäftigten im Edeka-Lager im rheinland-pfälzischen Nieder-Olm abgelaufen, das rund zehn Kilometer südlich von Mainz liegt. Der Betriebsrat des Lagers geht diesen Dienstag mit den Edeka-Managern in die vierte Runde in der Einigungsstelle. Dabei verhandeln sie um einen Sozialplan, denn die Zentrale will das Lager zum Jahresende schließen. Dass sie sich nun in einer Einigungsstelle befinden, zeigt, wie weit Betriebsrat und Management auseinanderliegen. Denn diese wird nur angerufen, wenn beide Seiten sich nicht eigenständig auf einen Sozialplan einigen können.
Dabei ging es Edeka offenbar nie um einen Erhalt des Lagers. Wie Dokumente zeigen, die »nd.DerTag« vorliegen, warfen Betriebsrat und Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dem Konzern bereits mehrfach eine Verletzung des im Zuge der Ministererlaubnis zustandegekommenen Tarifvertrages vor. Sie wandten sich deswegen auch schon an das Bundeswirtschaftsministerium, das derzeit noch von Peter Altmaier (CDU) geführt wird. Doch dieser will nicht tätig werden.
»Mit Ihrem Haus fanden in der Vergangenheit einige Telefonate zum Thema ›Tarifverstöße seitens Edeka‹ statt. Im Ergebnis blieben Sie uns eine schriftliche und rechtlich begründete Stellungnahme schuldig«, heißt es in einem Schreiben des Betriebsrats an das Bundeswirtschaftsministerium von Anfang November. Allein Telefonate mit dem Betriebsrat zu führen, ohne schriftlich, rechtlich fundiert Stellung zu nehmen, und »sich bei seinen mündlichen Ausführungen nur auf die rechtliche Argumentation der Edeka-Anwälte zu berufen«, sei nicht ausreichend, da der Tarifvertrag die Beschäftigten qualitativ und quantitativ für die Zeit des Moratoriums absichern und schützen sollte. »Unsere Enttäuschung ist über die Maßen groß«, schrieb der Betriebsrat im August in einem offenen Brief an das Bundeswirtschaftsministerium. »Arbeiten wurden eingestellt oder an andere Standorte verlagert, Betriebsstrukturen wurden verändert und vereinbarte Konditionen wurden und werden bis heute nicht eingehalten.« In den vergangenen fünf Jahren habe der Betriebsrat mehrfach Verstöße gegen die Ministerialerlaubnis an das Wirtschaftsministerium gemeldet. »Ihr Ministerium, Herr Altmaier, hat nichts dagegen unternommen.«
Unterstützung bekommen die Beschäftigten vom gewerkschaftspolitischen Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Pascal Meiser: » Die von den dortigen Beschäftigten in ihrem offenen Brief beschriebenen Entwicklungen in ihrem Lager nach dessen Übernahme durch Edeka lassen auch bei uns ernsthafte Zweifel aufkommen, ob Edeka seinen Verpflichtungen, die im Zuge der Nebenbestimmungen zur Ministererlaubnis mit der Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann eingegangen wurden, tatsächlich nachkommt«, schreibt Meiser in einen Brief an Edeka-Chef Markus Mosa. Für den Gewerkschaftspolitiker ist es das »Mindeste«, dass der Konzern jetzt zumindest einen auskömmlichen Sozialplan mit einer Transfergesellschaft für die Betroffenen Beschäftigten abschließt, »wenn es schon nicht den Willen gibt, das Lager weiter zu betreiben oder den Beschäftigten adäquate Ersatzarbeitsplätze im Unternehmen anzubieten«.
Bei Edeka widerspricht man den Vorwürfen: »Selbstverständlich halten wir uns an alle Auflagen der Ministererlaubnis und an den Tarifvertrag«, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. Edeka habe »in der Vergangenheit vielfältige Versuche unternommen, den Standort Nieder-Olm flexibler und wettbewerbsfähiger aufzustellen«. Leider sei das trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen.
Bereits Anfang 2018, also ein Jahr nach der Übernahme, berichtete der »Tagesspiegel« von Klagen der Angestellten in dem Lager. Edeka setze sie »psychisch unter Druck«, das Unternehmen habe dem früheren Kaiser’s-Tengelmann-Lager seit März 2017 »innerhalb von wenigen Wochen kurzfristig unsere kompletten bisherigen Aufgaben« entzogen, zitiert die Zeitung. Damit verstoße das Handelsunternehmen gegen den Tarifvertrag, der zwischen Edeka, Kaiser’s Tengelmann und der Verdi-Tarifkommission ausgehandelt wurde und Bedingung für die Ministererlaubnis gewesen sei.
Auch jetzt verstößt Edeka nach Angaben der Gewerkschaft wieder gegen den im Rahmen der Ministererlaubnis ausgehandelten Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. »Seit dem 15. Oktober findet keine Kommissionierung mehr statt«, berichtet Verdi-Gewerkschaftssekretärin Petra Kusenberg gegenüber »nd.DerTag«. Das heiße, dass gar keine Waren mehr von Nieder-Olm aus an die Filialen verschickt werden. Für Kusenberg ist dies eine Betriebsänderung, für die Edeka vor Ende des Moratoriums eigentlich eine Zustimmung der Gewerkschaft braucht. Damit Verdi gegen diesen Verstoß vorgehen kann, muss wiederum das Bundeswirtschaftsministerium dies als solchen feststellen.
Doch dort will man von Verstößen nichts wissen. Man habe die Einhaltung der Ministererlaubnis fortlaufend überwachen lassen, heißt es in einem Brief von Altmaier an den Linke-Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi. Im Ergebnis habe man aber keine »Berührung oder Verletzung« feststellen können. »Ich bedauere es sehr, dass das Lager in Nieder-Olm nach Ablauf des Moratoriums geschlossen werden soll. Nach Ablauf des Moratoriums ist dies jedoch eine Entscheidung in eigener unternehmerischer Verantwortung der Edeka«, so Altmaier.
Für den Linken-Politiker Meiser lässt indes das Agieren des Bundeswirtschaftsministeriums wenig Interesse erkennen, den Vorwürfen gegen Edeka mit dem »gebotenen Nachdruck« nachzugehen. »Ich erwarte, dass Wirtschaftsminister Altmaier seiner Verantwortung nachkommt und entsprechend auf die Konzernspitze einwirkt, solange er noch geschäftsführend im Amt ist«, fordert Meiser.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.