Nicht mehr als eine Marketing-Masche

Verbraucherzentrale versus Commerz real

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sowohl die Deka-Bank wie auch die Tomorrow GmbH haben kürzlich Unterlassungserklärungen abgegeben. Deka-Bank ist das Wertpapierhaus der öffentlichen Sparkassen-Finanzgruppe; Tomorrow ist eine der smartphone-orientierten Neobanken, die auf eine junge Kundschaft abzielen.

Doch nun trifft der Bannstrahl auch eine der privaten Großbanken: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagt gegen Commerz Real, einen Vermögensverwalter des Commerzbank-Konzerns. Dabei geht es um einen Fonds namens »Klimavest«, der als »Impact Fonds« beworben wird. Mit »Impact« sind Geldanlagen gemeint, die neben einer finanziellen Rendite eine messbare soziale und ökologische Auswirkung zum Ziel haben.

Fragwürdiger CO2-Rechner

Die Fondsgesellschaft Commerz Real wirbt mit einem CO²-Rechner, mit dem Verbraucher angeblich ihren persönlichen CO²-Fußabdruck berechnen können. Dazu müssen sie Angaben zu den Themenfeldern »Wohnen«, »Mobilität« und »Konsum« machen. Mit diesem Ergebnis sollen Verbraucher herausfinden können, welcher Anlagebetrag ihren CO²-Fußabdruck ausgleicht. Die Verbraucherschützer finden die Abfragekriterien des »CO²-Rechners« nicht einmal im Ansatz ausreichend, um einen akkuraten Wert zu berechnen. Die Werbeaussage sei daher irreführend.

Anleger müssen mindestens 10 000 Euro anlegen. Die vollmundige Zielvorstellung, nach der Verbraucher mit ihrer Geldanlage »messbar Klima schützen« könnten, relativiert die Commerz Real allerdings selber. Im Kleingedruckten des Prospekts steht, nicht garantieren zu können, dass die Anlageziele des Fonds erreicht würden. Der Fonds wolle seine Anleger lediglich über die Vermeidung von Kohlendioxid und den Zusammenhang mit dem persönlichen CO²-Fußabdruck informieren, so ein Sprecher von Commerz Real. Das sei eben nur »eine erste Orientierung«.

Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kontert: »Sie werben also für einen positiv messbaren Beitrag zur Erreichung von Umweltzielen, sichern sich aber juristisch im Kleingedruckten dahingehend ab, indem sie dafür nicht garantieren können.«

Weil die Commerzbank-Gesellschaft nach einer ersten Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, lässt die Verbraucherzentrale in Stuttgart nun die kritisierten Werbeaussagen gerichtlich überprüfen. Nachdem die Verbraucherzentrale schon zwei strafbewehrte Unterlassungserklärungen von Finanzdienstleistern wegen »Greenwashing« erwirken konnte, geht sie nun gegen einen weiteren Anbieter vor, der fragwürdige Nachhaltigkeitsversprechen macht.

Ein neuer grauer Markt

Immer mehr Finanzunternehmen werben damit, dass mit ihrer Geldanlage ein positiver Effekt für das Klima erzielt werde. Da es jedoch bislang keine gesetzliche Definition von »nachhaltigen Geldanlagen« gibt und Behörden zudem die Daten für die Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien bislang nicht prüfen können, legen die Anbieter selbst fest, was sie für nachhaltig erachten - und nutzen den Trend zu klimabewusstem Leben schamlos aus. Faktisch ist der »grüne« dadurch ein dunkelgrauer Markt.

Die Klage gegen Commerz Real birgt nun nach Expertenmeinung die Chance, durch eine gerichtliche Klarstellung branchenweit Wirkung zu entfalten. Freilich wird dies ein langer Weg, der erst nach Jahren beim Bundesgerichtshof enden könnte.

Gesetzliche Regeln gefordert

Das wäre immerhin ein erster Schritt. Der zweite, der eigentlich der erste sein sollte, könnte eine gesetzliche Regelung durch die neue Bundesregierung sein. Denn bislang gibt es keine klaren gesetzlichen Regelungen für zuverlässige Aussagen zur Schutzwirkung von Finanzprodukten bei Klima, Energie oder Nachhaltigkeit. Schlimmer noch, es gibt bislang nicht einmal belastbare Methoden zur Wirkungsmessung.

»Solange sich das nicht ändert, ist die Werbung mit derlei Wirkungsversprechen nichts anderes als eine Marketing-Masche«, klagt Nauhauser. »Es ist daher ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen einzuführen, um irreführendes Greenwashing in den Griff zu bekommen.« Hierzu gehört dann auch eine behördliche Kontrolle.

Mehr Infos zu »Greenwashing bei Geldanlagen« unter: www.vz-bw.de/node/65537. Sie können dort auch reinhören in einen 30-minütigen »Podcast« des Verbraucherfunks.

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