Selbstbehalt nach der Trennung maßgebend
streit um die unterhaltspflicht von großeltern
Wenn die Großeltern ein gutes Einkommen haben, muss ein getrennt lebender Elternteil nicht über den angemessenen Selbstbehalt hinaus für seine Kinder Unterhalt zahlen. In einem solchen Fall habe der Elternteil keine sogenannte gesteigerte Verpflichtung, so urteilte das Bundesgerichtshof (Az. XII ZB 123/21) am 28. Oktober 2021.
Im verhandelten Fall ging es um einen getrennt lebenden unterhaltspflichtigen zweifachen Vater, der ein Einkommen von 1400 Euro hat. Er zahlte an die teilzeitbeschäftigte Mutter für die elfjährige Tochter monatlich 100 Euro Kindesunterhalt.
Für den restlichen Unterhalt kam zunächst die Unterhaltsvorschusskasse des Bundeslandes Sachsen für den Zeitraum Juni 2016 bis Dezember 2017 auf. Dieser zusätzliche Unterhaltsvorschuss wurde nunmehr teilweise vom Vater zurückverlangt. Der vom Staat geleisteten Unterhalt belief sich auf insgesamt 758,29 Euro. Dabei wurde der notwendige Selbstbehalt des Vaters in Höhe von damals 1060 Euro (derzeit 1160 Euro) berücksichtigt.
Die Streifrage war, ob der Vater nur den notwendigen Selbstbehalt von derzeit 1160 Euro monatlich oder den angemessenen Selbstbehalt für sich behalten darf, der aktuell bei 1400 Euro liegt.
Das Amtsgericht Leipzig gab dem Land Sachsen Recht und verurteilte den Vater zur Rückerstattung des Unterhaltsvorschusses. Auf seine Beschwerde hin änderte das Oberlandesgericht Dresden das Urteil ab und wies den Antrag des Landes zurück, woraufhin dieses vor den BGH zog.
In dem Verfahren verwies der Vater darauf, dass seine Eltern (also die Großeltern des Kindes) deutlich höhere Einkünfte hätten als er selbst, nämlich 3500 und 2200 Euro. Die Großeltern seien als Verwandte in gerader Linie zum Unterhalt der Enkelkinder verpflichtet. In einem solchen Fall stehe ihm der höhere sogenannte angemessene Unterhalt von 1300 Euro (derzeit 1400 Euro) zu.
Dem folgte auch der BGH. Vorrangig seien die Eltern ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Könnten diese den Unterhalt aber nicht leisten, könne auch von Verwandten in gerader Linie, etwa die Großeltern, Unterhalt eingefordert werden. Das heißt: Im Ausnahmefällen müssen sie für ihre Enkelkinder aufkommen.
Im besagten Streitfall gab es gut situierte, leistungsfähige Großeltern, die formal einen Teil des Unterhaltes für das Enkelkind zahlen müssen. Dem Vater verbleibt dann ein höherer Selbstbehalt. Die Unterhaltspflicht von Eltern werde nur erweitert, wenn es keine anderen zum Unterhalt verpflichteten Verwandten gebe.
Allerdings hätten Großeltern nach dem Gesetz einen höheren Selbstbehalt von derzeit 2000 Euro zuzüglich der Hälfte des über 2000 Euro liegenden Betrags. Bei staatlichen Unterhaltsvorschusszahlungen sei es aber gesetzlich ausgeschlossen, dass die zuständige Behörde die Großeltern in Regress nehmen kann. Agenturen/nd
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