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  • Italiens Fußballer in der WM-Qualifikation

Die Europameister landen hart

Italiens Fußballer drohen die WM zu verpassen - weil nach dem Titelgewinn einiges versäumt wurde

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Italien blamiert sich mal wieder. Vier Monate nach dem Rausch vom Londoner Wembleystadion herrscht im Land des Europameisters schlimmste Katerstimmung. Denn am Montagabend hatten die Fußballer der Squadra Azzurra im Windsor Park von Belfast die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar verspielt. Durch die zähe Nullnummer bei kampfstarken Nordiren, rutschten die Italiener am letzten Spieltag in der Qualifikationsgruppe C noch auf Platz zwei ab. Das direkte Ticket in die Wüste lösten die Schweizer, die mit einem 4:0 im Heimspiel gegen Bulgarien den Europameister noch überflügeln konnten.

Für die Italiener führt der Weg nach Katar jetzt über die Playoffs. Aus eigener Erfahrung wissen sie aber, dass das ein schwerer ist. Vor vier Jahren trafen sie in zwei Ausscheidungsspielen auf Schweden - und verpassten die WM 2018 in Russland. Die Schweden drohen nun erneut als Gegner. Aktuell wird auch wieder eine fast schon vergessene Schmach. 1958 war schon einmal der Windsor Park von Belfast die Begräbnisstätte italienischer Fußballhoffnungen. Damals verlor die Squadra Azzurra 1:2 gegen Nordirland. Die Nordiren gewannen die Qualifikationsgruppe und fuhren zur Endrunde in, na klar, Schweden.

Wer zum Aberglauben neigt, sieht jetzt blutende Bälle am Himmel. Roberto Mancini ist noch nicht soweit. Er bemüht das Prinzip Hoffnung. »Wir schaffen es über die Playoffs zur WM nach Katar. Und dann gewinnen wir sie vielleicht sogar«, meinte der Nationaltrainer noch in Belfast trotzig wie großspurig. Wohlwollend könnte man es auch als dem eines Europameisters würdigen Optimismus bezeichnen.

Was aber ist schiefgelaufen? Für Außenstürmer Domenico Berardi fehlte es vor allem am Glück. »Fußball ist so: Mal hast du das Glück auf deiner Seite, mal nicht«, sagte er mit Hang zur Philosophie. Berardi dürfte vor allem die zwei verschossenen Elfmeter in den beiden Spielen gegen die Schweiz im Sinn gehabt haben. Hätte Jorginho, nach dem EM-Titel und dem Sieg in der Champions League mit Chelsea zu Europas Fußballer des Jahres gekürt, vom Punkt getroffen, wäre der Weg zur WM geebnet gewesen. Der Italo-Brasilianer aber patzte. Damit schmälerten sich auch seine Chancen, als Weltfußballer ausgezeichnet zu werden. Hätte er getroffen und Italien zur WM gebracht, wäre er ein ganz heißer Kandidat. Auch so ist Fußball.

»Meiner Meinung nach muss Jorginho den Ballon d’Or erhalten. Alles andere wäre eine Überraschung«, hatte sich Mancini vor den entscheidenden Qualifikationsspielen gegen die Schweiz und Nordirland festgelegt. Er hielt auch an Jorginho als Elfmeterschützen fest. Im Nachhinein ein Fehler. Er hatte zu viel für seinen Spieler gewollt. Und dieser hielt dem doppelten Druck aus persönlichen und kollektiven Zielen nicht stand.

Ein weiterer Faktor war die lange Ausfallliste. Spielmacher Marco Verratti von Paris St. Germain stand im November nicht zur Verfügung. Ciro Immobile, aktuell bester Torschütze der Serie A, und Haudegen Giorgio Chiellini mussten verletzt abreisen. Andere Spieler wie Abwehrmann Leonardo Bonucci oder Mittelfeldstratege Nicolo Barella gingen angeschlagen in die Entscheidungsschlacht.

Das größte Manko benannte dann auch Bonucci. »Wir müssen den Geist der Euro wiederfinden, unsere Unbekümmertheit und den Biss«, meinte er. Genau daran mangelte es in den Monaten nach dem Titelgewinn. Die Europameister wirkten selbstzufrieden. Sie hatten ja auch etwas erreicht. Drei Jahre nach dem absoluten Tiefpunkt, dem Verpassen der WM in Russland, waren sie nicht nur die Besten des Kontinents. Sie hatten mit ihrem erfrischenden Angriffsfußball auch die Herzen der Fans anderer Nationen erobert. Zudem legten sie die Rekordserie von 37 Spielen ohne Niederlage hin. Italien war als Fußballmacht auferstanden.

Aber der Erfolg hatte die Spieler satt werden lassen. Die Folgen kennt man. Dinge, die gerade noch gelangen, weil sie mit größter Entschlossenheit ausgeführt wurden, misslingen bei lässigerem Einsatz. Mancini, selbst jahrelang Nationalspieler und seit 2018 Nationaltrainer, kennt derartige Prozesse selbstverständlich. Er dürfte nach innen auch gemahnt haben. Aber er fand offenbar keinen Zugang in die Köpfe seiner Spieler. Sie wirkten matt, ausgelaugt, langsam. »Wir waren wie gekocht«, beschrieb Italiens ehemaliger Nationaltrainer Arrigo Sacchi das Problem.

Mancini muss sich auch vorwerfen lassen, seine EM-Helden nicht früh genug durch das Hinzuziehen frischerer und formstarker Kräfte stimuliert zu haben. Er holte zwar das neue Spielmachertalent Sandro Tonali vom AC Mailand wieder zum Nationalteam. Und er berief auch die Mittelstürmer Gianluca Scamacca und Giacomo Raspadori vom Ausbildungsklub Sassuolo. Aber er gewährte ihnen dann doch zu wenig Spielzeit. Mancini muss den Umbruch weiter fortsetzen. Vor allem muss er den Geist der Euro wieder wecken. Zeichen für die große Verzweiflung, in der Italien gerade steckt, ist die Tatsache, dass vereinzelt sogar wieder der Ruf nach Mario Balotelli ertönt. Das einstige Enfant terrible tingelt gerade in der türkischen Liga.

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