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Als die Welt noch ungewöhnlich war
Wie die musikalischen Exoten Scott Walker und Jarvis Cocker im Jahr von 9/11 zusammenfanden
Es gibt Paarungen, die kann sich kein Mensch ausdenken. Weil sie so unglaublich sind, dass sie wahr sein müssen.
Zum Beispiel diese: Scott Walker und Jarvis Cocker. Schon der Karriereverlauf der beiden hätte unterschiedlicher kaum sein können. Walker legte einen Traumstart als Musiker hin. Mitte der 60er hatte er auf Anhieb zwei Nummer-eins-Hits (u.a. »The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore«) mit den Walker Brothers. Barock-Pop nannte man das. Was zum Bandnamen passte, war denn auch barocke Kostümierung. Weder waren die drei Musiker verwandt noch hießen sie Walker.
Danach gelangen Scott Walker (der eigentlich den Namen Noel Scott Engel junior trug) drei erfolgreiche Soloalben. Mit dem vierten begann der kommerzielle Abstieg. Immer wunderlicher wurden die Klänge. Und immer wunderlicher wurde auch Walker. Über sein Album »Tilt«, das 1995 erschien, hieß es, er klänge wie »Samuel Beckett in der Scala-Oper«.
Die Karriere von Jarvis Cocker war umgekehrt verlaufen. Er hatte eine eigenartige Kindheit durchlebt. Seine alleinerziehende Mutter zwängte ihn in bayerische Lederhosen deutscher Verwandter. Man kann sich vorstellen, welche Reaktionen dies in einer englischen Industriestadt auslöste, die im Zweiten Weltkrieg beliebtes Ziel deutscher Bomber gewesen war. Da wundert es schon nicht mehr, dass Cocker kein Rad fahren lernte, weil er glaubte, er würde als Erwachsener ohnehin auf dem Mond leben.
Das tat er dann doch nicht. Stattdessen wartete er 16 Jahre lang mit seiner Band Pulp auf den Durchbruch. Dann kam Mitte der 90er die Britpop-Welle, und Jarvis Cocker lieferte mit »Common People« eine ihrer Hymnen. Das tat seinem Selbstbewusstsein gut. Mit dem Erfolg wurde er souveräner, abgeklärter, vielleicht auch nur größenwahnsinnig.
Dies würde zumindest erklären, warum er sich im Jahr 2001 in den Kopf setzte, Scott Walker als Produzenten für das Pulp-Album »We Love Life« zu gewinnen. Was insofern bemerkenswert war, als dass Walker noch nie ein Album eines anderen Künstlers produziert hatte.
Doch das Wunder geschah: Zum ersten und einzigen Mal in seiner Laufbahn hatte Cocker nicht das Bedürfnis, sexuelle, seelische oder gesellschaftliche Abgründe auszuloten. Stattdessen legte er eine - für seine Verhältnisse - entspannte, manchmal gar leicht esoterisch anmutende Grundhaltung an den Tag. Die Songs tragen Titel wie (übersetzt) »Unkraut«, »Unkraut 2«, »Die Bäume« und »Überfahrenes Tier«.
Den perfekten Gegenpart für seine Schrullen fand er in Walker. Dieser lebte sein Faible für orchestrale Klänge aus. »We Love Life« klingt, als hätten die Walker Brothers den Sänger ausgetauscht. Ein schwelgerisches, hoffnungsfrohes Album. Und so fand das verheerende Jahr 2001 wenigstens musikalisch einen versöhnlichen Abschluss.
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