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Ampel beschließt neue Corona-Regeln
Bundesweit 3G für Arbeitsplätze und öffentliche Verkehrsmittel – weitere Maßnahmen für Länder möglich
Der Bundestag hat am Donnerstag das neue Infektionsschutzgesetz verabschiedet. 398 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf der Ampel-Parteien, mit dem die Maßnahmen in der Corona-Pandemie auch nach Auslaufen der »epidemischen Lage von nationaler Tragweite« bestehen bleiben sollen. 254 Abgeordnete stimmten dagegen, zudem gab es 36 Enthaltungen. Weil die Zustimmung des Bundesrats aber noch ungewiss ist, bleibt zunächst offen, ob die Regelung kommende Woche in Kraft treten kann.
Das neue Gesetz sieht bundesweit eine 3G-Regel für Arbeitsplätze und öffentliche Verkehrsmittel vor, zudem können die Bundesländer Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen erlassen. Einige Maßnahmen wie Ausgangssperren oder pauschale Schließungen von Einrichtungen sollen mit der Neuregelung aber nicht mehr möglich sein. Die Union kritisiert die nun beschlossenen Regelungen deshalb als unzureichend, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) drohte mit einer Ablehnung des Gesetzes am Freitag im Bundesrat.
Die Ampel-Parteien verteidigten das Vorhaben im Bundestag gegen die Kritik aus der Union. Die Neuregelung schaffe einen rechtssicheren Rahmen für weitere Maßnahmen wie etwa 2G-Plus, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar. »Die Länder haben mit dem vorgelegten Gesetzentwurf mehr Möglichkeiten des effizienten Handelns als bei der aktuell noch gültigen Rechtslage«. Mit der Öffnungsklausel werde es den Ländern ermöglicht, weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, das neue Maßnahmenpaket sei »deutlich mehr, als wir bisher hatten«. Sie verwies unter anderem auf die geplante Homeoffice-Pflicht und 3G-Regelungen am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nahverkehr.
FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte, die Behauptung, dass die Länder der Pandemie mit dem neuen Maßnahmenpaket »wehrlos« gegenüber stünden, sei »objektiv falsch«. Mit dem Ende der epidemischen Notlage sei ausdrücklich nicht die Botschaft verbunden, die Pandemie sei vorbei. Unions-Fraktionsvize Stephan Stracke (CSU) warf SPD, FDP und Grünen hingegen vor, ihr Gesetz werde »der Dramatik der Lage« nicht gerecht: »Sie verkürzen den Maßnahmenkatalog der Länder.« Es sei ein Fehler, die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht zu verlängern.
»Das ist keine Handlungsorientierung für die Zukunft, so bekämpfen wir diese Pandemie nicht«, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU). Auch der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übte Kritik, warb aber indirekt um Zustimmung: »Ich würde mir wünschen, dass die Länder mehr Möglichkeiten hätten, zu reagieren.« Im Zweifel sei das von den Ampel-Parteien vorgelegte Gesetz aber besser, »als wenn gar keine Regelung gilt«.
NRW-Ministerpräsident Wüst hatte damit gedroht, dass die unionsgeführten Länder das Gesetz am Freitag im Bundesrat scheitern lassen könnten. Deshalb ist ungewiss, ob die Regelung wie geplant kommende Woche in Kraft treten kann. Dittmar forderte die Union auf, das politische Klein-Klein zu beenden: »Corona kennt keine Parteigrenzen.«
Die Union wies den Vorwurf zurück, ihre Ablehnung sei parteipolitisch motiviert. SPD und Grüne hätten sich vielmehr von der FDP »in Geiselhaft« nehmen lassen, um die Ampel-Koalition nicht zu gefährden, sagte der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak. »Wir wissen nicht, wie der Bundesrat morgen entscheiden wird«, fügte er hinzu. Die Union jedenfalls sei bereit, kommende Woche eine Bundestags-Sondersitzung abzuhalten und den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte die Union vor politischer »Geisterfahrerei«. Eine Blockade in der Länderkammer sei »unverantwortlich«. Eine rechtssichere Grundlage für den Schutz der Bevölkerung sei dringend notwendig – natürlich brauche es dafür auch Regelungen.
Bartsch zeigte sich irritiert, dass die »epidemischen Lage von nationaler Tragweite« von der Ampel-Koalition nicht weitergeführt werde, vor allem, da SPD und Grüne in der Vergangenheit für eine Verlängerung ebenjener Regelung gestimmt hatten. »Lieber Christian Lindner, was haben sie bei den Koalitionsverhandlungen den Grünen und der SPD in den Tee getan? Die Richtlinienkompetenz liegt ja jetzt offensichtlich bei ihnen«, richtete sich Bartsch an den FDP-Chef, der schon zuvor die Regelung abgelehnt hatte.
Der Linke-Fraktionskovorsitzende forderte letztlich eine »stringente Coronapolitik« von den Ampelparteien. Diese müssten nun »etwas Konkretes« vorlegen, sonst gelte das »Prinzip Söder« – was bedeute, einzig eine »große Klappe« zu haben, so Bartsch.
Der Linke-Abgeordnete Christian Görke hatte dabei noch eine weitere Idee aufgeworfen, um die Impfquote zu erhöhen. »Die Lage erfordert ein Umdenken: Zeit für Pragmatismus. Deshalb: Impfprämie! 300 Euro für den vollständigen Schutz, 200 Euro für den Booster. Auch rückwirkend für die, die heute schon geimpft sind. Gut für die Pandemie, den Geldbeutel und die Wirtschaft«, erklärte der Politiker auf Twitter. Von den anderen Fraktionen wurde sein Vorschlag abgelehnt.
Die Ministerpräsidenten der Länder haben derweil auch am Donnerstag gemeinsam mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Beratungen zur Bewältigung der Corona-Krise begonnen. An der Videokonferenz unter dem Vorsitz Nordrhein-Westfalens nehmen neben dem SPD-Kanzlerkandidaten, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, weitere Spitzenvertreter der sich anbahnenden künftigen Koalition aus SPD, FDP und Grünen teil. Mit Agenturen
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