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Die Würfel sind gefallen
Der Zusammenschluss der oppositionellen Parteien in Ungarn stärkt die Hoffnung vor den Wahlen 2022, meint Sándor Révész. Eine Abwahl Orbáns ist damit aber noch lange nicht sicher
Alles, was der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán von der EU braucht, ist Geld. Kommt es nicht, hat er keinen Grund, die Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union zu erfüllen. Bleibt Orbán auch nach den kommenden Wahlen im April 2022 an der Macht, wird Ungarn zum russisch-chinesischen Marionettenstaat, so wie zum Beispiel Belarus. Mit Wahlen nach Putins Muster, bei denen gegen die Regierungspartei nur als eine Pseudo-Opposition angetreten werden darf. Dann bringt es auch nichts, wenn die EU nicht einmal ihr eigenes Parlament dazu bringen kann, die EU-Normen zu respektieren und Feinde der EU nicht weiter zu finanzieren.
Tatsächlich ist in Ungarn aber der Zusammenschluss der oppositionellen Parteien gelungen. An der Vorwahl für den gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs haben sich mehr als 800 000 Leute beteiligt. Die Hoffnung wurde gestärkt, die Hoffnungslosigkeit lässt nach. Sollte die vereinte Opposition aus sechs Parteien dennoch verlieren, wird das lange verheerend und demoralisierend nachwirken. Gründe, nicht zu wählen oder einfach skeptisch zu sein, gibt es genug.
In der Weimarer Republik wäre einem deutschen Demokraten angesichts der schwachen Auswahl an Politikoptionen und Politikern die Lust zu wählen und vielleicht sogar auch zum Leben vergangen. Er hätte gesagt: »Eine richtige Wahl gibt es nicht.« Aber er hätte auch gesagt: »Jede andere Wahl ist besser, als Hitler zu wählen.« Orbán ist natürlich nicht Hitler, die Situation ist nicht identisch - jedoch vergleichbar. In der jetzigen ungarischen Opposition gibt es hier und dort ehrenwerte, wenn auch nicht tadellose Leute. Nach den Wahlen in 2022 könnte tatsächlich viel Übles kommen, aber viel schlimmer wäre es, wenn gar nichts passiert.
Die Opposition hält zusammen, ihre Parole ist: jetzt oder nie! Und das in einem Wettbewerb, der eigentlich eine Farce ist. Die letzten fairen Wahlen in Ungarn waren 2010. Zwar ging Orbáns Fidesz-Partei damals als Sieger hervor, eine Legitimation zum Zerschlagen des Rechtsstaates hat sie jedoch nicht erhalten. Seit 2010 missbraucht sie grenzen- und skrupellos alle humanen und natürlichen Ressourcen des Landes für ihre parteipolitischen und privaten Interessen - Erpressung, Korruption und Gehirnwäsche der Bevölkerung inbegriffen. So wird zwischen Regierungspartei und Opposition jegliche Chancengleichheit zunichtegemacht. Das kann man nur als Betrug bezeichnen.
Es ist sowohl für das Land als auch für die vereinte Opposition unerlässlich, die Wahl im nächsten April gegen Orbán zu gewinnen, auch wenn sie - wie schon in 2014 und 2018 - zu Ungunsten der Opposition manipuliert werden wird. Die Voraussetzung für den Sieg der Opposition ist aber, möglichst viele, noch unentschlossene Wähler anzusprechen und sich dabei verbal so geschickt anzustellen, dass jeder sein Gesicht wahren kann.
Eigentlich wäre eine Vorwahl ideal, in der sich verschiedene Parteien dem Wählerwillen stellen könnten. Das konnte aber nur noch halbwegs verwirklicht werden, weil die Oppositionsparteien nur gemeinsam siegen können. Auch die Sonderabsprachen zwischen den sechs Parteien mussten unter Zeitdruck erfolgen. Egal. Nun ist es vollbracht. Und irgendwann werden wir normale Wahlen haben und dann braucht man nicht mehr zusammenkleistern, was nicht zusammengehört.
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Daher ist es nur logisch, dass sich jetzt jene zurückhalten sollten, die dazu neigen, die frühere, kritikfähige Demokratie vor 2010 und die Antidemokratie nach 2010 in einem Atemzug abzulehnen. Denn damit setzten sie die Regierungen gleich, frei nach dem Sprichwort: gehüpft wie gesprungen. Die heutige Antidemokratie kann die Wahlen nur gewinnen, wenn sie den demokratischen Parteien die Daseinsberechtigung abspricht. Damit wäre das Angst schürende Wahlargument der Orbán-Regierung sogar noch gestärkt, die Zeit vor 2010 könnte zurückkommen. Außerdem würde sich die Zahl der Nichtwähler und das Lager derer, die ihre Stimmen an Miniparteien verschwenden, vergrößern.
Die Würfel sind gefallen, der Rubikon ist überschritten. Jetzt heißt es nur noch: ertrinken oder überleben.
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