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Eine »Wegfahrsperre« in der Landesverfassung

Sachsens Politik ringt um die Schuldenbremse. Beispiellos harte Regelungen zur Kredittilgung lassen strikten Sparkurs befürchten

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Türen sind zu: In Klausur berät Sachsens CDU-Fraktion noch bis zu diesem Donnerstag über die Eckwerte des Doppelhaushalts 2023/24. Quasi vor den Türen lauert ein illustrer Kreis auf die Ergebnisse: Koalitionspartner, Opposition, der DGB, Wirtschaftsforscher. Denn auf der Klausur trifft die CDU eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Stimmt sie Korrekturen an der Schuldenbremse und der dafür notwendigen Änderung der Verfassung zu oder nicht? Wäre letzteres der Fall, drohen nach Überzeugung von DGB-Landeschef Markus Schlimbach bald »Sparhaushalte in allen Bereichen«.

Sachsen hat 2013 eine eigene Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert, die CDU, Linke, SPD und Grüne ausgehandelt hatten. Etats seien »grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen«, heißt es dort; Ausnahmen gelten nur in »außergewöhnlichen Notsituationen«. Die Tilgung der aufgenommenen Schulden habe jedoch, besagt Artikel 95 Absatz 6, »spätestens innerhalb von acht Jahren zu erfolgen.«

Lange Jahre handelte es sich um eine nur theoretische Vorgabe. Dann kam Corona. Die Ausgaben des Staates zum Beispiel für Wirtschaftshilfen explodierten, Einnahmen brachen ein – eine mehr als außergewöhnliche Notsituation. Im April 2020 ermächtigte der Landtag daher die Staatsregierung in großer Einmütigkeit, bis zu sechs Milliarden Euro Kredite zur Bewältigung der Pandemie aufzunehmen. Allerdings wurde bald auch klar, welch gravierende Folgen das Kleingedruckte, spricht: die Tilgungsregel, hätte. Ab 2023 müsste der Freistaat zunächst Hunderte Millionen, ab 2025 jährlich eine Milliarde Euro zurückzahlen. Bei Etats von etwas über 20 Milliarden Euro ginge jede Handlungsfähigkeit verloren; es regierte der Rotstift.

Von vielen Seiten wird daher eine Verfassungsänderung gefordert. Man müsse den »aberwitzig kurzen Tilgungszeitraum« verlängern, und zwar am besten auf 50 Jahre, sagt der DGB-Chef. Auch Joachim Ragnitz vom ifo-Institut Dresden schlägt eine »Neuformulierung« der Schuldenbremse vor. Im Landesetat gebe es, auch wegen veränderter politischer Akzentsetzung etwa mit Blick auf Stellen für Lehrer und Polizisten, einen »erheblichen, perspektivisch steigenden Fehlbetrag«, der unter jetzigen Regeln »nur durch Ausgabenkürzungen« zu decken sei, was negative Folgen für das Wachstum hätte.

In Teilen der sächsischen Koalition rennt der Wirtschaftsforscher offene Türen ein. Die Pandemie sei der »Praxistest« für die Schuldenbremse gewesen, den diese aber nicht bestanden habe, sagt Franziska Schubert, die Fraktionschefin der Grünen. Der jetzt geltende Mechanismus »verschärft die Situation dramatisch«, sagt sie – was nie beabsichtigt gewesen sei. Ihr SPD-Kollege Dirk Panter sagt, die Schuldenbremse wirke wie eine »Wegfahrsperre«. Auch die Linke kritisiert das Instrument. Sie will ein Gutachten in Auftrag geben, das aufzeigen soll, welche Folgen die jetzige Schuldenbremse hätte und wie sich veränderte Tilgungsfristen auswirken würden. Sie plädiert dafür, den Zeitraum auf 20 bis 30 Jahre zu strecken. Für eine Änderung der Verfassung bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Landtag und damit auch Stimmen aus der Opposition.

Ob es dazu kommt, ist aber offen. Die CDU beharrte bisher darauf, die Coronaschulden »möglichst zügig« abbezahlen zu wollen. Ihr Fraktionschef Christian Hartmann hofft, das Land könne mit 3,3 statt 6 Milliarden Euro an Krediten auskommen. Zudem fiel die Steuerschätzung vom November für dieses und das nächste Jahr positiver aus als erwartet. Abwägungen dazu, ob man einer »maßvollen« Verlängerung der Tilgungsfrist auf womöglich 15 Jahre dennoch zustimmt, seien, so hieß es vor der CDU-Klausur, »im Fluss«.

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