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  • Erinnern an Nazi-Kultstätte

Lernort zu »Reichserntedankfesten«

In Niedersachsen wird über eine Kultstätte des Hitlerregimes informiert

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein milde lächelnder Adolf Hitler steht auf einem geschönten Foto vor der Hakenkreuzfahne, den Blick auf ein Feld gerichtete, auf dem Schnitter Garben zu Diemen aufgestellt haben. Vor dem »Führer« liegen Äpfel und andere Früchte. Mit diesem für ihre »Blut- und-Boden-Ideologie« typischen Bild warben die Nazis in den 30er-Jahren für den »Deutschen Erntedanktag« am Bückeberg.

Von 1933 bis 1937 versammelten sich auf der Anhöhe nahe der im südlichen Niedersachsen gelegenen Gemeinde Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont nicht nur Menschen aus der Umgegend, sondern Hitler-Getreue aus vielen Teilen Deutschlands zu den »Reichserntedankfesten«, die zu den größten Massenveranstaltungen des Naziregimes gehörten.

Hitlers Lieblingsarchitekt Albert Speer hatte das rund 25 Fußballfelder große Areal so gestalten lassen, dass es sowohl dem obersten Meister gefiel als auch den Wünschen von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels entsprach. Ein heute noch sichtbarer, wie ein Laufsteg erhöht gebauter »Führerweg« gehörte dazu, auf dem Hitler in Richtung einer »Ehrentribüne« schreiten konnte, eskortiert von uniformierten Gefolgsleuten, während ihm die Menge – 1937 sollen 1,2 Millionen Menschen dem Spektakel beigewohnt haben – zujubelte.

Jubeln wird niemand mehr auf dem Bückeberg. Vor wenigen Tagen wurde hier aber ein »Lern- und Gedenkort« präsentiert, der an die Methoden der NSDAP-Diktatur erinnert, die Menschen mit Kultfeiern für sich einzunehmen. Mit sechs »Informationsinseln« wird in Wort und Bild vermittelt, wie die deutschen Faschisten auch mit Erntedankfesten den vermeintlichen Wert der rassistischen »Volksgemeinschaft« herauszustellen und die Menschen auf den Krieg einschworen. Offiziell soll der Gedenkort im Frühjahr eröffnet werden, wie Geschäftsführer Alexander Remmel von der Trägergesellschaft vergangenen Mittwoch nach Abschluss der Bauarbeiten mitteilte.

Doch offenbar erinnern sich gerade Anwohner nicht so gern an den Jubel, der einst am »Führerweg« ertönte. Es gab massiven Widerstand gegen die Einrichtung des Dokumentations- und Lernortes. Mehr als 2000 Bürger der Gemeinde Emmerthal unterzeichneten eine Protestnote gegen das Vorhaben. Auch in Leserbriefen in der Regionalpresse und auf Versammlungen machten Menschen ihrem Unmut über das Projekt Luft: Es sei zu teuer und auch »nicht mehr zeitgemäß«, hieß es. Die Mehrheit von CDU, AfD und Freien Wählern im Rat der Gemeinde Emmerthal lehnte das Gedenkstättenkonzept ab und war lediglich für zwei Infotafeln zu haben. Doch 2018 gründete der Landkreis Hameln-Pyrmont gemeinsam mit dem »Verein für regionale Kultur und Zeitgeschichte Hameln« eine gemeinnützige GmbH, um das Projekt zu realisieren.

Für »Geschichtskosmetik« war auf dem Bückeberg schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs gesorgt worden: Bürger pflanzten, obwohl die Anhöhe gut bewaldet ist, neue Bäume vor die Reste der »Ehrentribüne«, so dass sie kaum noch zu sehen war.

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