Steht Maestro vor dem Aus?

Mastercard schickt sein europäisches DebitSystem bald in Rente

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehrere Hundert Leser-Kommentare erreichten den Infodienst Heise, nachdem er den Ausstieg von »Maestro« verkündet hatte. So viel Resonanz auf einen einzigen Artikel war selten. Aus gutem Grund: Schließlich betrifft die Entscheidung Abermillionen Kunden von Banken und Sparkassen allein in Deutschland. Auf deren Karten prangt das rot-blaue Maestro-Logo. Der Service machte die Girokarte deutscher Banken und Sparkassen international.

Doch nun hat das US-Unternehmen Mastercard im Oktober angekündigt, seinen Kartendienst Maestro in Europa einzustellen. Ab 1. Juli 2023 dürfen Banken und Sparkassen keine Maestro-Karten mehr ausgeben, teilte Mastercard mit. Noch gültige Karten werden bis zum Ablaufdatum aber selbstverständlich weiter unterstützt.

Maestro ist ein internationales Zahlungsnetzwerk, welches den Kunden der deutschen Banken und Sparkassen ermöglicht, ihre Girocard (sogenannte EC-Karte) nicht allein bundesweit an Ladenkassen, Tankstellen oder Geldautomaten einzusetzen, sondern auch im Ausland als Zahlungsmittel zu nutzen.

Hinter der Girokarte arbeitet ein sogenanntes Debitkartensystem, bei dem die Verfügungssummen direkt von dem verbundenen Konto des Kunden abgebucht werden. Eine Zahlung erfolgt daher im Regelfall nur, wenn die zu zahlende Summe auf dem Konto verfügbar ist. Hierin unterscheidet sich die Debitkarte von der klassischen Kreditkarte, die mit einem revolvierenden Kredit ausgestattet ist. Die ausgebende Bank berechnet Kreditzinsen für den Betrag, der in einer festgelegten Frist - meist monatlich - nicht abgedeckt worden ist.

Ein moderneres System

Mastercard will das im Jahr 1991 eingeführte Maestro nun zugunsten eines angeblich moderneren Systems abschalten. »Ursprünglich für eine physische Welt geschaffen«, könnten Maestro-Karten nicht durchgängig für Zahlungen im Online-Handel genutzt werden, erklärt das Unternehmen. Als weiteren Grund nennt der Infodienst Heise, dass die Verbreitung der Maestro-Karten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Zwar sind weltweit immer noch 400 Millionen Karten im Umlauf, doch waren es vor fünf Jahren noch über 650 Millionen. In Deutschland ist das System nach wie vor sehr weit verbreitet, während Kreditkarten nur von vergleichsweise wenigen Verbrauchern genutzt werden.

Viele Kunden hat die Nachricht vom Maestro-Aus verschreckt. Spätestens als die »Tagesschau« der ARD nur noch rhetorisch fragte »Naht das Ende der Girocard?«, war die Botschaft rum. Dabei werden die Kunden von Banken und Sparkassen hierzulande davon im Alltag kaum etwas merken.

»Es dürfte Mastercard auch um die Stärkung der eigenen Mastercard Debit gehen, die das Unternehmen als Ersatz empfiehlt«, so Heise. Diese Debitkarte lässt sich auch mit einer Girokarte vereinen, die ohnehin zu jedem Girokonto gehört. Im Ergebnis würde sich für Kontoinhaber nicht wirklich etwas ändern: Sie bekommen von ihrem Institut eine neue Girokarte. Einige Sparkassen testen das bereits. Neuerdings gehen Banken auch dazu über, gleich eine Debitkarte von Mastercard oder Visa auszugeben und auf die eigene Girokarte zu verzichten.

Mastercard-Konkurrent Visa betreibt mit »V-Pay« ein vergleichbares System wie Maestro. Auf den rund 100 Millionen deutschen Girokarten findet sich in der Regel das Logo des einen oder des anderen Anbieters. Auch Visa könnte sein Debitsystem einstellen, berichtet der Fachdienst »Finanz-Szene«. Sollte Mastercard mit der Einstellung von Maestro erfolgreich seine eigene Rundum-Debitkarte stärken, dürfte das auch den amerikanischen Konzern Visa interessieren.

Was kann die deutsche Bankkarte?

Die deutsche Kreditwirtschaft steht nun vor einem Umbruch. Ihre Girocard ist lediglich in Deutschland verbreitet. Banken und Sparkassen benötigen also einen internationalen Partner. Die Abhängigkeit von US-Riesen wie Visa und Mastercard, Apple und Google hat allerdings mittlerweile die EU aufgeschreckt. Die EU-Kommission in Brüssel will »technologische Souveränität« für Europa. Ihre Hoffnungen ruhen auf der European Payments Initiative (EPI), die im vergangenen Jahr von Finanzinstituten aus sechs Ländern gegründet wurde, um einen neuen europäischen Zahlungsstandard zu schaffen.

Während eines Treffens Ende Oktober konnten sich die an EPI beteiligten Geldhäuser (noch) nicht auf die Freigabe der benötigten Investitionen verständigen. Die Rede ist von 1,5 Milliarden Euro, also eine vergleichsweise überschaubare Summe.

Nun soll bis Dezember 2021 eine Einigung stehen. An dem europäischen Zahlungssystem EPI sind mittlerweile über 30 große Banken und zwei Zahlungsdienstleister beteiligt. Ihr Ziel ist es, die europäische Finanzbranche durch den Aufbau eines einheitlichen Zahlungssystems unabhängiger von den US-Konzernen zu machen.

Die Girocard ist die Karte, mit der man in Deutschland in den allermeisten Geschäften bezahlen kann, auch kontaktlos und mit Handy. Falls die Karte verloren wird, sollte sie so schnell wie möglich über die Notrufnummer 116 116 gesperrt werden. »Finanztip«, das Verbraucher-Internetmagazin gehört einer gemeinnützigen Stiftung, listet im »Girokontorechner« die Kosten der Karten und die Gebühren für das dazugehörige Konto auf (www.finanztip.de/girokonto-vergleich/c79414). Dort findet man günstige Girokonten mit kostenloser Girocard.

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