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Kuba exportiert nun Covid-Impfstoffe
Nach der Immunisierung der eigenen Bevölkerung werden selbst entwickelte Vakzine international vermarktet
Noch im August und September hatte Kuba den bislang schwersten Corona-Ausbruch zu bewältigen, der das Gesundheitssystem an die Belastungsgrenze brachte. Seither gehen die Infektionszahlen auf der Insel spürbar zurück. Erstmals in diesem Kalenderjahr ist die Zahl aktiver Fälle unter 1000 gesunken - Tendenz weiter fallend. Pro Tag werden landesweit derzeit gerade einmal zwischen 150 und 200 Covid-19-Fälle verzeichnet. Das liegt auch an der fortschreitenden Impfkampagne. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung sind mittlerweile vollständig geimpft.
Kuba ist nicht nur das einzige Land Lateinamerikas, das über eigene Corona-Impfstoffe verfügt, sondern es gehört auch zu den Ländern mit den höchsten Impfquoten weltweit. Dies könne man gar nicht genug würdigen, sagte Manuel Vanegas Ayala, Vertreter der Schweizer Nichtregierungsorganisation Medi-Cuba Suisse, gegenüber »nd« in Havanna. »Man sagt das so leicht: Kuba hat eigene Impfstoffe - als wäre das so einfach, wie irgendwo ein Bier trinken zu gehen.« Es sei das »Resultat einer unglaublichen Anstrengung des Landes, der Wissenschaftler, der Leute, die an den klinischen Studien teilgenommen haben.« Aus Sicht von Vanegas Ayala könnte sich Kuba der Welt mit dieser Leistung »noch besser verkaufen«. Angesichts von US-Blockade und Wirtschaftskrise sei es »unglaublich, dass ein Land unter diesen Bedingungen eigene Impfstoffe herstellen kann«. Viele wohlhabendere Länder hätten dies nicht geschafft.
Während der gesamten Corona-Pandemie hat es Kuba abgelehnt, Impfstoffe von multinationalen Pharmaunternehmen zu importieren oder sich dem Covax-Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anzuschließen, über das Vakzine weltweit verteilt werden sollen. Stattdessen konzentrierte sich das Land hauptsächlich auf die Entwicklung eigener Impfstoffe. Die kubanischen Vakzine sind Konjugatimpfstoffe, bei denen eine Kombination von Proteinen eine starke Immunreaktion auslöst. Bei Soberana 02 handelt es sich um einen Bereich des Spike-Proteins von Sars-CoV-2, das für das Eindringen in Körperzellen verantwortlich ist. Die Technologie ist seit Jahrzehnten erprobt und wird bei mehreren Vakzinen etwa zur Impfung von Kleinkindern verwendet.
»Es gibt internationale Initiativen, die ich außerordentlich respektiere. Ob ich an sie glaube, ist eine andere Frage«, sagte Vicente Vérez Bencomo, Generaldirektor des Finlay-Instituts für Impfstoffe in Havanna, der britischen Fachzeitschrift »Nature«. »Wir wollten uns bei der Impfung unserer Bevölkerung ausschließlich auf unsere eigenen Fähigkeiten verlassen, nicht auf die Entscheidungen anderer. Und das Leben gibt uns recht.« Impfstoffvorräte würden von reichen Ländern gehortet, daher hätten viele ärmere Länder Schwierigkeiten, Zugang zu Impfdosen zu erhalten.
Kuba könnte in die Bresche springen. Das staatliche Unternehmen Bio Cuba Farma verfügt nach eigenen Angaben über eine jährliche Produktionskapazität von 100 Millionen Dosen für Abdala, Soberana 02 und die Auffrischungsdosis Soberana plus. Gerade erst wurde ein hochmoderner Biotech-Komplex in der Sonderentwicklungszone Mariel vor den Toren Havannas eingeweiht. Die neue Einrichtung könne 30 Millionen Dosen Abdala in sechs Monaten herstellen, so Generaldirektorin Catalina Álvarez Irarragorri.
Derzeit werden Abdala und Soberana 02 von Experten der WHO geprüft. Eine offizielle weltweite Zulassung durch die UN-Organisation würde die internationale Vermarktung erleichtern. Aber auch ohne diese zeigen bereits einige Länder Interesse an den kubanischen Vakzinen, es wurden sogar bereits Lieferverträge abgeschlossen. Ende September schickte Kuba eine erste Charge mit fünf Millionen Dosen Abdala nach Vietnam. Auch Venezuela und Nicaragua werden mit mehreren Millionen Dosen Abdala bzw. Soberana 02 beliefert. Vietnam und Venezuela planen zudem, ab Januar selbst mit der Produktion von Abdala zu beginnen. Der Iran produziert den Impfstoff Soberana 02, nachdem zuvor bereits klinische Phase-III-Tests in dem Land durchgeführt wurden. Auch in Argentinien und Mexiko könnten kubanische Impfstoffe demnächst produziert werden.
Die Länderliste lässt es erahnen: Geopolitik spielt auch hier eine wichtige Rolle. Die Kuba-Expertin Jennifer Hosek von der Queen’s University in Kingston, Kanada, befürchtet gar, dass sich bei der Verteilung und Anerkennung von Impfstoffen eine Art neuer Kalter Krieg entwickeln werde. »Ich halte es für sehr fraglich, ob es so sehr um die Wirksamkeit eines bestimmten Impfstoffs geht oder um die geopolitischen Beziehungen zwischen den betreffenden Ländern.«
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