Kalte Wohnungen in Spanien

Mit 5,6 Prozent ist die Inflation in Spanien noch höher als in Deutschland

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Inflation im Euroraum nimmt Fahrt auf, und mit Spanien und Deutschland finden sich gleich zwei große Euroländer in der Spitzengruppe. In Spanien ist die Teuerungsrate im November im Jahresvergleich nach einer Schnellschätzung auf 5,6 Prozent gestiegen. Damit fällt die Teuerung sogar noch stärker als in Deutschland aus, wo eine Schnellschätzung des Statistischen Bundesamts sie auf 5,2 Prozent beziffert hat. In beiden Ländern wurde erstmals seit fast 30 Jahren wieder die Marke von fünf Prozent gerissen.

Während Destatis vor allem auf steigende Energiekosten verweist, stellt die spanische Statistikbehörde INE »steigende Nahrungsmittelpreise« als inflationstreibend heraus und nur »in geringerem Umfang« steigende Energiepreise. Die INE-Statistiker machen eine steigende Kerninflation aus, bei der Energieprodukte und unverarbeitete Lebensmittel herausgerechnet wurden. Die ist in Spanien nun schon auf 1,7 Prozent gestiegen.

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Im November habe sich inflationsdämpfend ausgewirkt, dass die sozialdemokratische Regierung in Madrid im Oktober neue Maßnahmen beschlossen hatte, um die exorbitant gestiegenen Strompreise zu dämpfen, meint die INE. Im Oktober war der Großhandelspreis für Strom im Durchschnitt sechsmal so hoch wie ein Jahr zuvor. Ständig gab es neue Rekorde, obwohl schon zuvor eine Steuer auf die Stromerzeugung gestrichen und für viele Kleinverbraucher die Mehrwertsteuer auf Strom von 21 auf 10 Prozent gesenkt worden war. Ab November wurde zudem noch die Energiesteuer von 5,1 auf 0,5 Prozent reduziert.

Zudem gibt es stärkere bis März 2022 befristete Preisnachlässe für besonders schutzbedürftige Kleinverbraucher. Denn an die werden die extremen Großhandelspreise sofort über die flächendeckend verbauten Smart-Meter, die neuen intelligenten Stromzähler, durchgereicht. Diese Nachlässe müssen aber einzeln beantragt werden, weshalb eine Antragsflut auf die Behörden zurollt. Obwohl der Strompreis über die Maßnahmen der Regierung gedämpft wurde, variierte er nach Angaben von Verbraucherschützern im November zwischen 24,5 und 33,7 Cent pro Kilowattstunde. Das ist dreimal so hoch als vor einem Jahr.

Der Strompreis in Spanien ist trotz aller Maßnahmen im Durchschnitt also etwa so hoch wie in Deutschland. Angesichts des deutlich niedrigeren Lohnniveaus wird Strom deshalb für immer mehr Menschen unerschwinglich, zumal auch die allgemein hohe Inflation den Familien weiter Kaufkraft raubt. Nach INE-Angaben sind schon etwa zwei Millionen Haushalte von Energiearmut betroffen. Das sind deutlich mehr als zehn Prozent aller Familien - und der Winter steht erst noch bevor. Viele Menschen sitzen angesichts der frühzeitig eingetroffenen ersten Kältewelle nun schon in kalten Wohnungen.

Nachhaltig haben die Preissenkungsmaßnahmen der Regierung ohnehin nicht gewirkt. Denn an das absurde Tarifsystem hat sie sich nach heftigem Widerstand der Energieversorger nicht herangetraut. Das System beschert Energieversorgern »vom Himmel fallende« Milliardengewinne, wie man »windfall profits« hier nennt. Denn alle Arten der Stromerzeugung werden nach der teuersten Form vergütet, und das ist derzeit die Stromerzeugung über Gas.

Da in der jetzigen Kältewelle wieder massiv Strom nachgefragt wird, ist der Großhandelspreis pro Megawattstunde nun am Dienstag im Tagesdurchschnitt wieder auf 275 Euro gestiegen. Er liegt damit nur noch knapp unter dem Allzeithoch vom 7. Oktober (289 Euro). Am Abend wird sogar die Schwelle von 300 mit 309 Euro überschritten. Für die in Spanien regierenden Sozialdemokraten ist dies schon längst ein enormes Problem, der Unmut über die hohen Preise wächst und die Proteste werden lautstärker. Dass Regierungschef Pedro Sánchez sein Versprechen einhalten kann, bis zum Jahresende den Strompreis wieder auf das Niveau von 2018 zu senken, glaubt niemand mehr.

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