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Katzenordnung trifft auf Schweinechaos

Franz Zaulecks Geschichte von Lucie und Karl-Heinz ist ein Kinderbuch für Erwachsene

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, diese Katze ist keines von den putzigen, kuscheligen Ansichtskarten-Tiermodels. Sie sieht streng aus, die einzelnen Härchen stehen borstig vom roten Gesicht ab, statt des wärmenden Fells ist sie in ein Sommerkleidchen gehüllt. Lucie, so heißt das Tier, hat sich beim Holzsammeln im Wald verlaufen. Schnee und Kälte haben die dürren Füßchen rot anlaufen lassen. Und nun steht sie an der Tür von Karl-Heinz, einem rosigen Schweinchen im feinen Wams, das ein gemütliches, wohltemperiertes Häuschen bewohnt. »Gestatten Sie, dass ich mich bei Ihnen etwas aufwärme?«, fragt höflich die frierende Lucie den schnuckligen Lebemann in Schweinegestalt.

So fängt sie an, die Geschichte eines ungleichen Paares, denn Schweine und Katzen sind nicht gerade bekannt für lang andauernde Wohngemeinschaften. Irgendwie kommt einem das auch aus der Menschenwelt bekannt vor. Doch Lucie befindet sich in einer Notlage, und Karl-Heinz sind derartige Überlegungen viel zu anstrengend. Bis im Frühling der Schnee getaut ist, will er seiner Zufallsbekanntschaft Obdach gewähren. Sie würden schon miteinander auskommen, denkt sich der Sorglose.

Und wie sie auskommen! Als er am Morgen erwacht, traut er seinen Augen kaum. Das Geschirr ist abgewaschen, sogar die Kaffeetasse, die er unter seinem Hocker vergessen hatte. Jeder Gegenstand befindet sich an seinem Platz, der Tisch ist abgewischt, und Lucie fegt gerade das Zimmer. Sogar die Latschen, die Karl-Heinz ewig gesucht hatte, sind wieder zum Vorschein gekommen. Was für eine wunderbar aufgeräumte Schweinewelt! Was für ein Honeymoon!

Zwar will die eigensinnige Lucie ihrem Gastgeber nicht allzu sehr auf die Nerven gehen, aber sie kann einfach nicht aus ihrer Katzenhaut. Unermüdlich muss sie für Sauberkeit sorgen, wahrscheinlich folgt sie einem genetischen Code. »Karl-Heinz war dafür dankbar, nur kann Katzenreinlichkeit einem Schwein auch oft den Spaß verderben«, textet Zauleck so lakonisch wie realitätssicher und trifft damit den Punkt. Wenn einer immer nur spielen will und eine immer nur sauber machen, dann helfen auch die fröhlichsten Verkleidungsevents nicht mehr lange. »Ich brauche eine Auszeit«, lautet die menschliche Umschreibung ähnlicher Konflikte, oft die Vorstufe einer endgültigen Trennung.

Lucie hat stattdessen eine bessere Idee. Sie zieht in der Mitte des Zimmers einen Strich. »In der einen Hälfte wird gespielt, da leben Sie, in der anderen Hälfte herrscht Ordnung, da lebe ich«, spricht das putzsüchtige Kätzchen. Die Ordnung ist allerdings nicht allzu lange aufrechtzuerhalten, denn Karl-Heinz bringt immer seine Spielsachen mit, wenn er zu Besuch kommt. Und bei ihm ist es auch nur so lange lustig, bis Lucie über den Strich tritt, denn sie hat stets ihren Besen dabei.

Das Bilderbuch des Berliners Franz Zauleck ist, man mag es kaum glauben, 40 Jahre alt. Seitdem hat es auch Theaterbühnen und Hörspielstudios erobert. Es könnte genauso gut aber auch heute entstanden sein.

Der bekannte Bühnenbildner, Grafiker, Illustrator und Hörspielautor hat einen ganz eigenen Strich, besonderen Humor und ist großartigerweise für das Wort und das Bild gleichermaßen begabt. Nicht zuletzt verfällt er in seinen Geschichten, von denen er zum Glück viele erdacht hat, weder in Kindertümelei noch in kitschige Sujets.

»Lucie & Karl-Heinz« könnte in der Buchhandlung die Ratgeberecke für Verliebte bereichern.

Franz Zauleck: Lucie & Karl-Heinz. Beltz Der Kinderbuchverlag, 26 S., geb., 12,95 €.

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