- Wirtschaft und Umwelt
- Proteste in Südafrika
Im Zweifel für den Ölkonzern
Öl-Multi Shell will an der Küste Rohstoffe erkunden
»Lasst eure ölverdreckten Hände von unserer Küste«, hat eine Demonstrantin am Sonntag am Strand des Kapstädter Vororts Muizenberg auf eine Papptafel geschrieben. Viele andere reimen kurz und knapp: »To Hell with Shell«. Vom Anglerverein bis zu Umweltschutzorganisationen: Wer auch immer in Südafrika an der einzigartigen Unterwasserwelt des Landes hängt, ist seit Anfang November in Aufruhr. Denn da verkündete der britisch-niederländische Ölkonzern Shell seine Pläne, vor der Wild Coast in der Provinz Ostkap nach Öl zu suchen.
Über 300 000 Menschen unterzeichneten seitdem eine Petition gegen das Vorhaben. In der Provinz Ostkap, in der die Wild Coast verläuft, wechselte ein Betreiber von 35 Tankstellen aufgrund eines Boykotts durch die Anwohner der Umgebung gar den Lieferanten und entfernte sämtliche Shell-Logos. Am Sonntag zogen dann landesweit Tausende Demonstranten in über 70 Orten an die Strände, um ihrem Ärger über den Öl-Multi Luft zu machen.
Mit seismischen Erkundungen will Shell ein 6000 Quadratkilometer großes Meeresareal vor der Küste des Indischen Ozeans zwischen Durban und East London nach unterseeischen Öllagerstätten absuchen. Von einem Schiff, das die Fläche ein halbes Jahr lang systematisch abfährt, sollen bei diesem Verfahren mittels eines Luftpulsers extrem laute Schallwellen erzeugt werden, die kilometertief in den Meeresgrund eindringen. Alle zehn Sekunden zündet die Schallkanone und könnte dabei enorme Schäden anrichten – im Ozean sind Lebewesen mehr auf ihr Gehör angewiesen als auf ihre Augen.
Inwiefern die Schallwellen die Tiere tatsächlich beeinträchtigen, dazu gibt es kaum eindeutige Untersuchungen. Umweltschützer befürchten, dass vor allem Wale und Delfine, aber auch Pinguine, Haie und andere Fische sowie kleine Krustentiere durch die seismischen Erkundungen Schaden nehmen können. An der Wild Coast erstrecken sich drei Meeresschutzgebiete. Im Dezember ziehen Buckelwale entlang der Küste in die wärmeren Gewässer weiter nördlich im Indischen Ozean, wo sie ihre Jungen zur Welt bringen.
Anhand der Reflexion der Schallwellen lassen sich Rückschlüsse über mögliche Ölvorkommen ziehen. Schon in wenigen Tagen sollen die Erkundungen beginnen, das entsprechende Spezialschiff ist bereits in Südafrika. Shell verweist darauf, dass die seismischen Erkundungen bereits seit Langem laufen. Durch Beobachter an Bord will das Unternehmen – wie in den Vorschriften für Messungen festgeschrieben – sicherstellen, dass während des Schallkanoneneinsatzes keine Wale zu nah an das Boot herankommen. Welche Auswirkungen es auf die Fortpflanzung und das Überleben der Wale hat, wenn sie gewohnte Areale meiden müssen, darüber gibt es jedoch kaum Erkenntnisse.
In noch größerer Sorge sind Meeresbiologen ob der Möglichkeit, dass vor der Wild Coast eines Tages tatsächlich Öl gefördert werden könnte. Grund dafür sind die extrem starken Meeresströmungen in dem Gebiet, die es nahezu unmöglich machen würden, eine etwaige Ölpest einzudämmen. Zu diesen mächtigen Strömungen gehört der Agulhas-Strom. Dieser hat das 300-fache Volumen des Amazonas und bewegt sich entlang der Küste.
All diese Befürchtungen waren dem Landgericht des Ostkaps in Makhanda am Freitag aber nicht genug, um einer Eilklage stattzugeben, mit der zwei Bootsclubs sowie die Umweltschutzorganisationen Natural Justice und Greenpeace die seismischen Erkundungen verhindern wollten. Unter Verweis auf die schon 2014 erteilte Explorationslizenz, bereits getätigte Ausgaben Shells zur Vorbereitung der seismischen Erkundungen sowie auf finanzielle Folgen einer Verzögerung des Vorhabens wies Richter Avinash Govindjee die Beschwerde ab. »Die massiven finanziellen Konsequenzen gegen potenzielle Umweltschäden abzuwägen, ist eine undankbare Aufgabe«, befand er, verkündete dann aber: »Aufgrund des Mangels an Informationen über die Wahrscheinlichkeit von Umweltschäden« urteile er zugunsten Shells.
Geschlagen geben wollen sich Südafrikas Umweltschützer damit allerdings noch lange nicht. »Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um das zerstörerische koloniale Erbe des Extraktivismus zunichtezumachen, bis wir in einer Welt leben, in der Menschen und der Planet über den Profiten von Unternehmen stehen, die mit toxischen fossilen Energieträgern handeln«, erklärte Happy Khambule, Klima- und Energiekampagnenmanager von Greenpeace Africa. Die nächste Chance dazu besteht bereits am 14. Dezember, dann will ein Anwohnerbündnis gegen Shell klagen, weil der Konzern selbstständige Fischer vorab nicht über seine Pläne informiert haben soll.
Zuletzt hat sich der Öl-Multi aus einem lange geplanten Förderprojekt vor der schottischen Küste zurückgezogen. Offiziell wird der Schritt damit begründet, dass die wirtschaftlichen Argumente für die Investition nicht stark genug seien. Umweltschützer und politische Beobachter glauben allerdings, dass Shell mit dieser Entscheidung auch einen Imageschaden vermeiden will.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.