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Girlbosse: Die Wölfe im Schafspelz
Eine Quote ist kein probates Mittel zur Emanzipation der Frau
Seit einigen Jahren gelten sogenannte Girlbosse als feministische Vorbilder und eine Quote als probates Mittel zur Emanzipation der Frau. Tina Sanders fragt: Warum eigentlich?
Tina Sanders ist feministische Soziologin, Politologin und Autorin. Sie lebt in Leipzig. Im Rahmen ihrer Arbeit als Politologin und Soziologin war sie Mitglied der Leipziger Initiative Mündigkeit durch Bildung.
Im Juni 2021 wurde dem Entwurf zugestimmt, seit August ist es in Kraft: Die verschärfte Version des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen, das eine Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte vorsieht. Währenddessen sorgt die Meldung, dass die Sängerin und Unternehmerin Rihanna Milliardärin wurde für Freude in sozialen Medien. Philipp Amthor-Fan und Influencerin Diana zur Löwen teilt auf Instagram ihre Finanztipps mit über einer Million Follower. Und Ricarda Lang von den Grünen sinniert in einem Stern-Format darüber, dass die Frauenquote zur »Befreiung der gesamten Gesellschaft« beitragen würde. Die Quote wird von Journalistinnen, zum Beispiel im bundesweiten Zusammenschluss ProQuote, ebenso gefordert wie von vermeintlich linksradikalen Studentenvertretern oder Mitgliedern des akademischen Mittelbaus.
Girlbosse haben sich als erstrebenswertes Ziel der Selbstverwirklichung und Geschlechtergleichheit ebenso als unhinterfragbare und valide feministische Forderung durchgesetzt wie die Frauenquote.
Dass diese auf staatlicher Ebene eingeführt wurde, gar als Erfolg gefeiert wird, ist ideologische Verblendung. Denn: Diversen Arbeitsteams wird laut großen Wirtschaftsberatungen nachgesagt, kreativer und tragfähiger Probleme zu lösen und besser auf die vielfältigen Bedürfnisse der heterogenen Kundschaft eingehen zu können. Gemischt geschlechtliche Führungsriegen bescheren Unternehmen statistisch größeren Umsatz und ein besseren Arbeitsklima. Alles in allem: Es geht dabei nicht um Emanzipation, sondern um Kapitalmaximierung. Wie seit Anbeginn marxistischer Theorie gepredigt fungiert der Staat dabei als verlängerter Arm des Kapitals und sichert seine Interessen und den spätkapitalistischen Status Quo.
Doch auch der von Unternehmerinnen, Politikerinnen, Juristinnen, Diversity-Beauftragten, Wirtschaftswissenschaftlerinnen, Journalistinnen oder Managerinnen zur Schau gestellte Feminismus tut dies. Es ist ein liberaler Feminismus, der von ihnen anhand der Frauenquote vertreten wird. Ein Feminismus, der sich kritisch, radikal, gar revolutionär gibt, wenn er behauptet, es wäre etwas Emanzipatorisches, wenn sich kleine Mädchen dank des hochgelobten Normalisierungs- und Vorbildeffekts wünschen, Aufsichtsrätin oder Managerin zu werden. Oder wenn Angestellte sich im Namen der Identitätspolitik einem weiblichen Chef unterwerfen (und dies auch gerne tun) sollen.
Dieser Feminismus und seine Vertreterinnen, deren eigenes Klasseninteresse im Fall der Quote mit dem als Frau zusammenfällt, sind Wölfe im Schafpelz: Da die Idee des Selfmademan, der sich hoch arbeitet oder sich mit einer Vision selbstständig macht, nicht verschwunden ist, sondern erweiternd auf Frauen übertragen wurde, wird trotz sich zuspitzender Klassenunterschiede Frauen der Arbeiterklasse suggeriert, dass auch sie eines Tages BMW-Erbin Susanne Klatten als reichste Frau Deutschlands ablösen können. Dies zeigt sich auch anhand der zunehmenden Frauenförderprogramme innerhalb von Konzernen.
Gerade weil der Kapitalismus immer geschlechtsneutraler wird, Frauen aufgrund von Bildungsexpansion und der verbesserten Gewährleistung von allgemeinen Grund-, aber auch Minderheitenrechten immer weniger aus der ökonomischen Sphäre ausgeschlossen werden und einen zunehmend größeren Teil der Arbeitnehmer darstellen, konnten sich die liberalen Forderungen nach Repräsentation diverser Identitäten durchsetzen.
Zusehend wird über Quoten für geschlechtliche Diversität gesprochen, dabei wäre die Frauenquote im Zuge der Implementierung von Self-ID, also die Änderung des Geschlechts mit einem einfachen Gang zum Standesamt ohne Vorlauf, Therapie oder medizinischen Rat, ohnehin keine für Frauen mehr. Diese Bedürfnisse und Forderungen anhand von Identifikationsfiguren wie Girlbosse, »feministischer Kleidung« oder Serien über Figuren, die sich als trans, nonbinär oder genderfluide verstehen, zu befriedigen, ist für das Kapital nicht mehr als Peanuts für Coachings von Diversity Management-Berater*innen und Gratismut. Ausgebeutet werden in all der Diversität am Ende alle.
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