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Hohe Kunst der Profilbildung

Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer über das Kulturkapitel im rot-grün-roten Koalitionsvertrag

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 5 Min.

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) macht dem coronagebeutelten Berliner Kulturbetrieb Hoffnung für den Winter: »Solange wir in Berlin mit dem Impfen, auch mit dem Boostern, weit vorne sind und die Inzidenzen halbwegs im Griff haben, fällt aus meiner Sicht eine Komplettschließung der Kultureinrichtungen aus«, sagt Lederer zu »nd«. Mit Blick auf das kommende Jahr ist er allerdings vorsichtig. »Wir wissen nicht, was das Virus noch so vorhat.«

Die Soforthilfe IV für private Kulturbetriebe werde auch im kommenden Jahr weiterlaufen. »So lange, wie es nötig ist«, sagt Lederer. Den öffentlichen Kultureinrichtungen sollen Defizite erstattet werden, und auch für die freie Szene kündigt Lederer an, »Förderprogramme unbürokratisch umzusetzen«. Mit »Kontinuität« soll der Berliner Kulturbetrieb in und durch das nächste Jahr kommen.

Viele im Berliner Kulturleben sind gut zu sprechen auf den Senator und sein Corona-Krisenmanagement. Im Wahlkampf hatten 100 Berliner Künstler*innen in einer Zeitungsanzeige dazu aufgerufen, für den Linke-Spitzenkandidaten zu stimmen. Darin lobten sie Lederer als »den besten Kultursenator, den wir je hatten«. Zu den Unterzeichner*innen gehörten die Schauspieler*innen Katharina Thalbach und Corinna Harfouch, der Musiker Andrej Hermlin und die Schriftsteller*innen Wladimir Kaminer und Sibylle Berg.

»Ich glaube, dass sich in der Stadt in den letzten fünf Jahren vor allem eines verändert hat, nämlich dass Kulturpolitik als Infrastrukturpolitik begriffen worden ist«, erklärt Lederer, auf die Zustimmungswerte angesprochen. Lederer will seine Arbeit bekanntlich gern in der neuen Regierung fortsetzen. Und damit auch die Vorhaben, die unter Rot-Rot-Grün in den vergangenen Jahren angeschoben wurden.

»Kunst, Kultur und Kreativität prägen das Selbstverständnis und die Lebensqualität dieser Stadt«, heißt es im sieben Seiten langem kulturpolitischen Kapitel des nach langem Ringen fertiggestellten rot-grün-roten Koalitionsvertrages. Die künftigen Koalitionäre SPD, Grüne und eben Linke verpflichten sich hierin zu den Grundsätzen »soziale Gerechtigkeit, faire Vergütung, Equal Pay, ökologische Nachhaltigkeit, Gleichstellung, Diversität und Inklusion«. Zentrale Punkte, die auch für Lederers Politik stehen.

Für Lederer steht dann auch außer Frage, dass das Kapitel eine eindeutig linke Handschrift trägt. Angefangen mit der Vielfalt der Stadtgesellschaft im Kulturbetrieb, die es abzubilden gelte, ob beim Personal, beim Programm oder beim Publikum, über Dinge wie den eintrittsfreien Sonntag in Museen, der fortgeführt werden soll, oder die festen Kontingente an Drei-Euro-Tickets für Kultureinrichtungen, für Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, bis zur stadtweiten Stärkung von Kinder- und Jugendtheatern: »Das alles sind so Dinge, wo ich sage, das ist das explizit Linke an dem Ganzen«, so der Kultursenator.

Dabei gehe es nicht nur um Verstetigung, sondern auch und vor allem um den Ausbau des Bestehenden. »Die Koalition wird die einmalige Kulturlandschaft Berlins mit ihren Theatern, Opern, Orchestern, Museen, Gedenkstätten und Literaturhäusern, ihren Clubs und Veranstaltungsstätten, ihrer Kreativwirtschaft und ihrer innovativen Freien Szene sichern und stärken, in und nach der Pandemie«, heißt es einleitend im Kulturkapitel.

»Für uns heißt das auch, Kultur breiter zu begreifen, dass Clubkultur oder Soziokultur, urbane Praxis, dass kulturelle Bildung stärker in den Blick kommt, Teilhabemöglichkeiten stärker in den Blick kommen«, sagt Lederer. »Das sind Dinge, die tragen unsere Handschrift. Dinge, die wir fortschreiben.«

So will die künftige Koalition dezentrale und niedrigschwellige Kulturangebote in der ganzen Stadt bereitstellen. Bibliotheken sollen stadtweit zu Orten des Aufenthalts ausgebaut werden, zu sogenannten Dritten Orten. Kulturelle Bildung sei, so Lederer, für die Koalition der Schlüssel zu gelingender Teilhabe. Förderschwerpunkte sollen ausgeweitet werden, bei Kinder- und Jugendtheatern, bei den Musikschulen, bei Künstler*innen, die Ateliers suchen.

Hierfür sollen ein Kulturkataster eingerichtet und verbindliche Kriterien festgelegt werden, um kulturelle Zwischennutzungen in leer stehenden Landesliegenschaften zu ermöglichen. »Es ist einfach gut wissen, wo in Berlin Kulturorte existieren, damit man auch Stadtentwicklung im kulturellen Sinn betreiben kann«, so Lederer im Gespräch mit »nd«. Bisher sei man an den Ressourcen gescheitert. »Es kostet viel Kraft und Aufwand so etwas zu erstellen«, sagt Lederer.» Ich hoffe, wir schaffen das in den nächsten fünf Jahren.«

Was zum Ende der Legislatur 2026 definitiv beginnen soll, ist die Planung des Neubaus der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB). Ein Punkt, der für Differenzen in den Verhandlungen sorgte. »Den Bau der ZLB aufzugeben, wäre wirklich eine Bankrotterklärung für eine Stadt wie Berlin«, so Lederer. Angesichts des Umstands, dass in den kommenden Jahren keine Unmengen an Geld zur Verfügung stehen dürften, verbucht Lederer auch das als Verhandlungserfolg. Es freue ihn, dass bei den Verhandlungen die »Fortsetzung der kulturpolitischen Linie der letzten fünf Jahre im Großen und Ganzen unter den potenziellen Koalitionspartnern auch getragen wird und durchaus auch Anerkennung erfahren hat«.

Nicht zuletzt, »weil bei uns in der Partei auch über Ressorts und ihre Bedeutung gestritten« werde, sei ihm eine Feststellung wichtig: »Kultur war jetzt vor fünf Jahren nicht ein großes Profil bildendes Ressort, aber das ist es ist aus Sicht vieler, auch externer Beobachter, geworden.« Auch darüber freue er sich.

Und noch etwas findet sich im Kulturkapitel des rot-grün-roten Koalitionsvertrages: Berlin bekommt mit dem 8. Mai 2025 anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus einen Feiertag geschenkt. Einmalig zwar nur. Aber immerhin.

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