• Berlin
  • Obdachlose und 3G-Regel auf Bahnsteigen

Wenn der Winter noch kälter wird

Obdachlose Menschen müssen bei Corona-Maßnahmen mitgedacht werden - ein Kommentar

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist manchmal nicht nur ein blöder Spruch: Erst denken, dann handeln. Denn es meint im Fall der Pandemie und der zu treffenden Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen: zuerst an diejenigen denken, die von möglichen Einschränkungen am schwersten getroffen sind.

Es ist ein bitteres Zeugnis für die Mehrheitsgesellschaft und ihre politischen Vertreter*innen, dass sie genau dies nicht tun - auch wenn das Wort Solidarität derzeit zum guten Ton gehört. Das kann man an der Situation von obdachlosen Menschen immer wieder sehen und ebenfalls bei den nun zum Tragen kommenden 3G-Regeln auf Berliner U-Bahnsteigen. Zwar bemühen sich der Berliner Senat und viele haupt- und ehrenamtlicher Unterstützer*innen in der Hauptstadt in der Regel darum, Menschen zu helfen, die offensichtlich in großer Misere stecken. Aber zugleich ordnet man deren Lage, die nicht langfristig und ebenso wenig schnell zu beheben ist, immer wieder dem Diktat rasch zu treffender Entscheidungen unter. Wenn ausgerechnet jetzt, wo der Winter am kältesten zu werden droht, die Möglichkeiten des Aufenthalts eingeschränkt werden, obwohl die Menschen darauf angewiesen sind, sich nicht permanent auf die Suche nach sicheren Plätzen begeben zu müssen, dann darf das nicht mit einem einfachen »Wir haben eben Pandemie« beantwortet werden.

Es ist zuallererst eine Sache der Großstädte, sich hier besonders zu kümmern, denn in Klein-Kleckersdorf halten sich obdachlose Menschen eher selten auf. In Großstädten wie Berlin gibt es immerhin noch Zugang zu öffentlichen Räumen, es gibt Hilfe, Spenden und Zusammenhalt in einer Gruppe, die viele gern aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen würden. Auch das gilt es zu schützen. Wer Menschen keine Wohnungen und Sicherheit geben kann, darf nicht zum Stichwortgeber für unter Umständen repressives Handeln werden. Und wer weiß, wie Security-Dienste mitunter Menschen in Not behandeln - und das sind Obdachlose immer -, weiß auch, dass es dafür nicht noch mehr Anlässe geben darf.

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