- Politik
- Friedensnobelpreis
Für alle Journalisten
Maria Ressa kämpft in Philippinen gegen Fake News
»Maria ist in Oslo angekommen«, sagt Miriam Grace Go, die für das philippinische Onlinemedium »Rappler« arbeitet, mit Erleichterung in der Stimme. »Jedes Mal, wenn Maria das Land verlassen will, muss sie beim Gericht um Erlaubnis bitten. Aber jetzt kann sie immerhin persönlich ihren Preis empfangen.« Lange Zeit hatte es geheißen, es bestehe Fluchtrisiko. »Aber Maria ist mehrmals ausgereist und jedes Mal zurückgekommen«, beteuert Go. »Sie macht auch weiterhin ihre Arbeit als Journalistin. Natürlich würde sie nicht fliehen«, sagt sie über ihre Chefin.
Wenn Miriam Grace Go mit so viel Sorge von »Maria« spricht, meint sie die mittlerweile weltbekannte Maria Ressa, die am Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Als Gründerin der Nachrichtenseite »Rappler«, die immer wieder kritisch über die philippinische Regierung berichtet hat, wurde Ressa im letzten Jahr zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt. Dass sie nun dennoch nach Oslo darf, kann im südostasiatischen Land als kleiner Sieg für die Pressefreiheit gelten.
Die 58-Jährige ist die Erste aus dem 110-Millionen-Einwohner-Land, die als Einzelperson einen Nobelpreis gewinnt. »Allen Journalisten der Welt«, widmete sie ihre Auszeichnung, als sie im Oktober davon erfuhr. In ihrem Heimatland stehen, wie auch anderswo, unabhängige Medien stark unter Beschuss. Im Index der Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen liegen die Philippinen auf Rang 138 von 180 Ländern.
Ein Grund für die schlechte Platzierung sind systematische Einschüchterungen von Journalisten, die nicht zuletzt von der Regierung ausgehen. »Das Ausmaß der Desinformation nimmt zu«, sagt Maria Diosa Labiste, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der University of the Philippines in der Hauptstadt Manila. »Es gibt auch immer mehr Attacken auf Journalisten. In den sozialen Medien werden sie dämonisiert, belästigt und bedroht.«
Zu einem Großteil ist dies ein Erbe der Präsidentschaftswahl vor sechs Jahren. Im Mai 2016 gewann der Populist Rodrigo Duterte die Wahl mit lauter Tabubrüchen. Unter anderem versprach Duterte, dass er für Ruhe und Ordnung im Land sorgen werde, indem er Drogenabhängige erschießen lasse. Und er gewann die Wahl. Drogenabhängige und Dealer wurden dann tatsächlich erschossen, zahlreiche Oppositionelle und Journalisten verhaftet.
»Später gab Duterte zu, dass er 200 000 US-Dollar an Hunderte Influencer gezahlt hatte, damit sie Informationen weiterverbreiten, die Duterte positiv darstellen und seine Kontrahenten negativ«, so Labiste. »Die Influencer erhielten 60 Dollar am Tag für Copy-Pasting. Kritische Stimmen haben sie belästigt und bedroht. Diese Personen wurden Tastatur-Krieger genannt.« So habe sich der Eindruck verbreitet, dass Duterte sehr populär und akzeptabel sei. »In Wahrheit haben sie mit den Algorithmen der sozialen Medien gespielt.« Was ihn dann wiederum tatsächlich populärer machte.
Das Verbreiten von Fake News wurde für Medien zum großen Problem. Und das ist es jetzt wieder. Denn im Mai 2022, wenn Dutertes auf eine Amtszeit begrenztes Mandat ausläuft, wählen die Philippinen einen neuen Präsidenten. Favorit ist diesmal Ferdinand Marcos junior, Sohn des einstigen Diktators Ferdinand Marcos, dessen Familie mit Rodrigo Duterte befreundet ist. Als Vizepräsidentin an Marcos’ Seite geht Sara Duterte ins Rennen, die Tochter des derzeitigen Präsidenten.
»Es sieht so aus, als hätte auch Marcos schon eine richtig große Trollarmee, die in den sozialen Medien Stimmung für ihn macht«, beobachtet Ellen Tordesillas vom Faktencheckportal Vera Files. Aber der Stil sei jetzt ein anderer. »Lauter Accounts, die Duterte unterstützten, beleidigten und bedrohten andere Personen. Irgendwann blockierte Facebook sie dann. Die Unterstützer von Marcos behaupten zwar auch falsche Dinge, benehmen sich aber besser. Für Facebook ist es dann schwieriger, sie zu blockieren.«
So ist theoretisch nicht nur bekannt, dass die Marcos-Familie Milliarden US-Dollar an Steuergeldern gestohlen hat. Auch von anderen Unehrlichkeiten lenken Marcos’ Unterstützer intensiv ab. »Ferdinand Marcos junior hat zum Beispiel behauptet, dass er einen Bachelorabschluss von der Universität Oxford hat«, sagt Celine Samson, die ebenfalls für Vera Files arbeitet. »Aber die Wahrheit ist, dass er gar nicht alle Prüfungen bestanden hat.« Davon werde abgelenkt. »Man sagt, dass er immerhin in Oxford war, und das sei doch das Gleiche.
Lesen Sie auch: Das geht uns alle an - Wir sollten die Pressefreiheit nicht für selbstverständlich nehmen.
Und dass er immer ehrlich gewesen sei – was aber nicht stimmt.«
Vera Files hat diese und andere Fehlinformationen nicht nur aufgedeckt. Nach dem Wahlsieg von Duterte im Jahr 2016 hat das Portal angefangen, an Schulen, Universitäten und anderswo Faktencheckkurse anzubieten. Das machen auch Maria Ressa und »Rappler« sowie die University of the Philippines. »Mit den Lügen Schritt zu halten ist schwierig. Sie sind viel schneller. Ein Faktencheck dauert in der Regel 14 Stunden«, sagt Ellen Tordesillas.
Aber in den Medien gibt man sich trotzdem vorsichtig optimistisch, was die Zukunft der Pressefreiheit in den Philippinen angeht. Warum? »Wir müssen es sein«, sagt Miriam Grace Go von »Rappler«. »Wähler nutzen immer mehr soziale Medien. Wenn wir es uns nicht zutrauen, genau draufzuschauen, können wir von den Wählern auch nicht erwarten, dass sie kluge Entscheidungen treffen. Es kostet nur alles sehr viel Energie.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.