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Spät und vorsichtig
Steffen Schmidt über die Empfehlung der Impfkomission
Selten wurde die Politik so oft aufgefordert, auf »die Wissenschaft« zu hören, wie in der seit fast zwei Jahren währenden Corona-Pandemie. Und selten wurde sie so oft dafür gelobt, das zu tun. Doch auch bei Ratschlägen aus den medizinischen Wissenschaften zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass die Politik sich aussucht, auf welche Wissenschaftler sie hören mag.
Weder die Warnungen, dass eine Impfung von 70 Prozent der Bevölkerung noch keine Einstellung aller übrigen Vorsichtsmaßnahmen erlauben werde, wurden so recht gehört, noch die Forderungen, den Schulbetrieb besser an die Bedingungen der Pandemie anzupassen. Doch auch wenn die Experten Vorsicht für angezeigt halten, passt es nicht unbedingt. So wurde die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut schon kritisiert, dass sie nicht unverzüglich den USA folgt und die Impfung der Jugendlichen ab zwölf empfahl. Das Gleiche wiederholt sich nun bei den Kindern zwischen fünf und elf.
Denn statt wie etwa der Berliner Senat die Covid-19-Impfung für alle Kinder dieser Altersgruppe zu empfehlen, beschränkt die Stiko ihre Empfehlung auf Kinder mit schweren Vorerkrankungen und solche, in deren familiärem Umfeld Menschen mit solchen Erkrankungen leben.
Die Begründung ist eine, die genau der Aufgabe der Stiko entspricht: Nutzen und Risiko abzuwägen. Es gibt nach Ansicht der Experten nicht genügend Daten für diese Altersgruppe, um das Risiko der sehr seltenen unerwünschten Nebenwirkungen gegen den Vorteil eines Schutzes vor gefährlichen Krankheitsverläufen abzuwägen, die bei Kindern bisher ebenfalls selten auftraten. Und tatsächlich ist die Zahl der Probanden in den US-Zulassungsstudien um den Faktor 10 kleiner als bei den Zulassungsstudien mit Erwachsenen.
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