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Lebenselixier in Gefahr?
Berlins Gewässer leiden unter Klimaerwärmung, Verunreinigungen und Versiegelung. Der BUND fordert ambitioniertere Schutzmaßnahmen
Mit seinen knapp 50 Seen, drei Flüssen und zahlreichen Kanälen ist Berlin eindeutig eine Wasserstadt. 6,6 Prozent der Fläche der Hauptstadt sind von Gewässern bedeckt. »Leider ist ein Großteil in unbefriedigend bis schlechtem ökologischen Zustand«, sagt Christian Schweer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie von der Wassernetz-Initiative Berlin. Viele Gewässer seien mit Ammonium oder Sulfat belastet.
Laut einer Antwort der Senatsumweltverwaltung auf eine Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) von Februar 2021 sind in Berlin »acht von 22 Fließgewässern in mäßigem, sieben in unbefriedigendem und weitere sieben in schlechtem ökologischen Zustand«. Nicht viel besser geht es laut Schweer dem Grundwasser, dessen Wasserspiegel zunehmend sinkt, und den Mooren, die immer mehr austrocknen.
Eine Ursache dafür seien Klimaerwärmung und Trockenperioden im Sommer, in denen es nicht nur weniger regnet, sondern auch mehr Wasser verdunstet. Hinzu kommt, so Schweer, »völlige Übernutzung«, zum Beispiel durch die Wasserwerke, die sich aus dem Grundwasser speisen. Die neun Wasserwerke der Berliner Wasserbetriebe bereiten täglich rund 546.000 Kubikmeter Trinkwasser für Berlins Haushalte, für Industrie und Gewerbe auf. Die Sulfatbelastung lasse sich unter anderem auf den Braunkohleabbau in der Lausitz zurückführen, erklärt Schweer.
SPD, Grüne und Linke wollen ihrem Koalitionsvertrag zufolge unter anderem ein Moorschutzprogramm entwickeln und die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union umsetzen. Der Arbeitskreis Wasser des BUND kritisiert jedoch, dass »völlig offen« bleibe, »mit welchen Maßnahmen diese Ziele fristgerecht erreicht und konkret finanziert werden sollen«. So heißt es in einer gewässerpolitischen Bewertung, die »nd« vorliegt. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie besagt, dass eigentlich schon bis 2015 alle europäischen Flüsse und Seen, Grundwasser und weitere wasserabhängige Lebensräume wie Moore in einen qualitativ »guten Zustand« hätten gebracht werden sollen. Lediglich für den letzten vorgesehenen Bewirtschaftungszyklus ist noch bis 2027 Zeit.
Die Senatsumweltverwaltung gab in ihrer Antwort auf Danny Freymarks Anfrage jedoch im März bekannt, dass »absehbar nicht alle Maßnahmen bis 2027 umgesetzt werden können«. Die Berliner Wassernetz-Initiative, zu der neben dem BUND noch fünf weitere Naturschutzverbände gehören, fordert daher deutlich mehr Tempo in den kommenden fünf Jahren und konkrete Finanzierungsmaßnahmen wie zum Beispiel, dass Grundwasserentnahmegebühren zweckgebunden für den Gewässerschutz eingesetzt werden. Zusätzlich sollten große Konzerne ein Entgelt für die Entnahme von Wasser aus Flüssen oder Seen zahlen. »Die Berliner Heizkraftwerke wie Reuter West und Klingenbert entnehmen zusammen etwa 300 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr zur Kühlung. Davon werden zwar 90 Prozent wieder in die Gewässer zurückgeleitet, die sind dann allerdings überwärmt. Und 30 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr sind weg«, sagt Schweer.
Beide Instrumente, sowohl die Zweckbindung an den Gewässerschutz als auch ein Oberflächenentnahmeentgelt, sollen laut Senatsumweltsprecher Jan Thomsen mit einer Neufassung des Berliner Wassergesetzes eingeführt werden. Die Gesamtkosten für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie würden mit rund 380 Millionen Euro kalkuliert. Im Haushaltsplan 2020/21 wurden dafür 17 Millionen, für die Folgejahre jeweils 50 Millionen Euro eingeplant.
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Ein weiteres Problem stellt laut BUND die zunehmende Flächenversiegelung der Hauptstadt dar, die laut dem Koalitionsvertrag erst 2030 auf Netto-Null kommen soll. Da innerhalb des Berliner Rings Abwasser und Regenwasser in einer Mischwasserkanalisation zusammen abgeführt werden, »müssen wir dafür sorgen, dass Regenwasser an Ort und Stelle versickern kann und nicht in die Kanalisation gelangt«, sagt Verena Fehlenberg vom BUND. Starkregenfälle würden bereits an 30 bis 60 Tagen im Jahr dazu führen, dass verschmutztes Wasser überläuft und in Spree, Panke oder Landwehrkanal fließt. Eine Folge dessen ist das Fischsterben.
»Mischwasserkanalisationen sind nicht auf die Wetterextreme Dürre und Starkregen ausgelegt«, sagt auch Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben zu »nd«. »Deshalb bauen wir überall Stauraumbecken an die Kanalisation, um Abwasser zu speichern«, erklärt er. Von insgesamt geplanten 300.000 Kubikmetern Stauraum stehen bereits 240.000 zur Verfügung. Zurzeit wird außerdem ein 40.000 Kubikmeter großer Mischwasserspeicher im Klärwerk Schönerlinde errichtet. Allerdings werde das »konterkariert dadurch, dass immer mehr gebaut wird«, so Natz.
Er verspricht sich jedoch viel von dem Vorhaben des Senats, Berlin zur »Schwammstadt« zu entwickeln. Dazu gehört neben den Mischwasserstauräumen »das Ziel, bei Neubauvorhaben und im Bestand eine nachhaltige Bewirtschaftung des Regenwassers sicherzustellen«, sagt Senatsumweltsprecher Thomsen.
Unter anderem durch Dächer- und Fassadenbegrünungen soll Regenwasser aufgefangen werden und verdunsten, bevor es in die Kanalisation gelangen kann. Zumindest bei Neu- und Umbauten werde das mithilfe der Berliner Regenwasseragentur bereits »vorbildlich« umgesetzt, sagt Natz mit Verweis auf Vorzeigeprojekte in Adlershof oder an der Rummelsburger Bucht. Es fehle allerdings eine Lösung für den bereits versiegelten Bestand. Auch Christian Schweer begrüßt das Gründachprogramm des Senats, bemängelt jedoch zu hohe Hürden und mangelndes Tempo bei der Umsetzung.
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Auch um die Wasserqualität im Sinne der EU-Richtlinie zu verbessern, sind die Berliner Wasserbetriebe gefragt. Alle sechs Klärwerke in der Hauptstadtregion sollen bis in etwa zehn Jahren mit zusätzlichen Reinigungsstufen ausgestattet werden, um vor allem Stickstoff und Phosphor aus dem Abwasser zu eliminieren. Ein zunehmendes Problem stellen aber auch Rückstände von Medikamenten dar, von denen die Berliner Gewässer bislang nicht gereinigt werden konnten. Nun beginnen die Wasserbetriebe im Klärwerk Schönerlinde im Nordosten der Hauptstadt mit dem Bau einer neuen Ozonanlage, die auch solche Spurenstoffe aus dem Wasser entfernt. Sie soll 2024 in Betrieb gehen.
»Aufgrund der demografischen Entwicklung werden Medikamentenabfälle immer mehr zunehmen«, sagte Frank Bruckmann, Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe, am Mittwoch bei der Vorstellung der künftigen Ozonanlage. Bei Fischen im Tegeler See seien bereits durch Medikamente verursachte Nierenschäden aufgefallen. Da das gereinigte Abwasser des Klärwerks Schönerlinde in den Tegeler See fließt, der wiederum das zweitgrößte Wasserwerk der Berliner Wasserbetriebe speist, werde hier mit dem Bau der ersten Ozonanlage der Hauptstadt begonnen, erläutert Klärwerkschefin Barbara Hütter. Perspektivisch sollen auch die anderen Klärwerke mit Ozonanlagen ausgestattet werden.
Bei dem Reinigungsverfahren, an dem über 30 Jahre gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin geforscht wurde, werden schwer abbaubare organische Spurenstoffe von Ozon in kleinere Bestandteile gespalten, welche anschließend von Mikroorganismen abgebaut werden können. Die Schönerlinder Anlage, in die das Unternehmen 48 Millionen Euro investiert, soll die größte in ganz Deutschland werden. Sie wird dem Gewässerschutz und der biologischen Vielfalt dienen, wie Matthias Rehfeld-Klein betont. Er leitet den Bereich Wasserwirtschaft der Senatsumweltverwaltung. Die Anlage dient aber auch der Herstellung von einwandfreiem Trinkwasser, ergänzt Martin Jekel von der Technischen Universität.
Laut Stephan Natz sollte Berlin keine Probleme mit der Trinkwasserversorgung bekommen, da die Hauptstadt »zum Glück im Urstromtal liegt«. Christian Schweer fürchtet bei weiterer Übernutzung jedoch Schäden für Wälder und Moore, die auf hohe Grundwasserspiegel angewiesen sind. »Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass Wasser nicht unbegrenzt verfügbar ist«, ergänzt Verena Fehlenberg. So sei es äußerst kritisch zu sehen, dass der Wasserverbrauch gerade im Sommer, zum Beispiel aufgrund von Rasensprengern, fast doppelt so hoch wie im Jahresdurchschnitt sei. Schweer und Fehlenberg ist daher wichtig, dass Umweltverbände und Zivilgesellschaft die Regierung weiter an Natur- und Gewässerschutz erinnern und Druck machen.
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