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Stachel im Fleisch der Mächtigen
Die Internetplattform Wikileaks veröffentlichte seit Jahren interne Dokumente von Regierungen, Konzernen und Geheimdiensten
Ein Berufungsgericht in London hat das Auslieferungsverbot für Wikileaks-Gründer Julian Assange gekippt. Ob er tatsächlich an die USA ausgeliefert wird, ist damit allerdings nicht entschieden. Wenn es doch dazukommen sollte, wäre dies zweifelsohne ein harter Schlag gegen die Pressefreiheit. Ein Blick in die Geschichte von Wikileaks macht deutlich, warum.
Im Jahr 2007 ging die Enthüllungsplattform das erste Mal mit Dokumenten an die Öffentlichkeit, erregte dabei aber noch wenig Aufsehen. Unter anderem stellten die Macher interne Handbücher aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba online. Diese belegen die psychologischen Foltermethoden des Militärs. Der Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange lernte in jenem Jahr auch den deutschen Informatiker Daniel Domscheit-Berg kennen, beide bauten mit einer Handvoll Mitstreiter die Plattform weiter auf.
Im April 2010 erlangte Wikileaks weltweite Bekanntheit. Es veröffentlichte unter dem Namen »Collateral Murder« Videomaterial vom Angriff eines US-Militär-Hubschraubers im Jahr 2007 auf Zivilisten, darunter zwei Journalisten. Erstmals bereitete Wikileaks die Daten auch journalistisch auf. Zahlreiche interne Dokumente über die Militäreinsätze in Afghanistan (Afghan War Diarys) und im Irak (Iraq War Logs) folgten. Wikileaks arbeitete dafür mit der britischen Zeitung »The Guardian«, der US-amerikanischen »New York Times« und dem deutschen »Spiegel« zusammen. Im Mai 2010 wurde im Irak die US-Soldatin Chelsea Manning verhaftet. Ihr warf man vor, unter anderem das Video des US-Angriffs auf Zivilisten im Jahr 2007 Wikileaks zugespielt zu haben.
Im Herbst 2010 beschloss Wikileaks, Tausende Berichte von US-Diplomaten zu veröffentlichen (Cablegate). Die Mitteilungen bezogen sich auf verschiedenste Regierungen in der Welt. Journalisten werteten das Material aus und entfernten Hinweise auf Quellen. Nach einer Datenpanne gab Wikileaks jedoch selbst die komplette Sammlung der Depeschen frei. Firmen wie Amazon, Paypal, Visa und Mastercard stellten auf politischen Druck die Zusammenarbeit mit Wikileaks ein. Daniel Domscheit-Berg verließ nach einem Streit das Projekt.
2011 griff Wikileaks erneut das Thema Guantanamo auf. Die Veröffentlichung unter dem Namen »Gitmo files« behandelte vor allem die 172 Gefangenen, die zum damaligen Zeitpunkt in der Gefängnisbasis einsaßen. Von Ende 2011 bis 2012 konzertierte sich Wikileaks auf die Branche der Überwachungstechnologie. Mit Veröffentlichen wie den »Spy Files« und den »Global Intelligence Files« richtete sich der Blick auf private Dienstleister, die im Auftrag von Sicherheitsbehörden digitale Überwachungstechnologien entwickelten und einsetzten.
Aufgrund des Verfolgungsdrucks nahmen die Veröffentlichungen ab, doch Wikileaks versuchte weiterhin, seine Aktivitäten aufrechtzuerhalten. So wurde 2015 bekannt, dass 69 Telefonanschlüsse von deutschen Ministerien und Regierungsvertretern jahrelang vom US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA abgehört worden waren.
2016 veröffentlichte Wikileaks den Mitschnitt einer Telefonkonferenz des Internationalen Währungsfonds zur griechischen Staatsschuldenkrise. Während des Putschversuchs in der Türkei im selben Jahr brachte man wiederum Regierungspartei AKP an die Öffentlichkeit. Im damaligen US-Präsidentschaftswahlkampf veröffentlichte Wikileaks nicht zuletzt Dokumente der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Danach wurde es ruhiger um das Projekt, die Verfolgung von Assange stand im Mittelpunkt. Die Webseite der Initiative ist aber nach wie vor erreichbar. Der jüngste Eintrag stammt vom 31. Oktober.
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