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  • Bayern Münchens Jamal Musiala

Konstruktiver Geist

Jamal Musiala überzeugt beim Sieg der Bayern gegen Mainz mit neuen Qualitäten

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer aus dem Spiel gegen den FSV Mainz ein paar Szenen herausgreifen wollte, um Jamal Musialas Spektrum abzubilden, kam an der 27. Minute nicht vorbei - obwohl in dieser etwas sehr Untypisches für den 18-Jährigen geschah. Zu einer Grätsche setzte Musiala im Mittelfeld an, traf den Mainzer Jonathan Burkardt am Spann und sah die gelbe Karte. Die Wortkombination Musiala, Grätsche und Gelb ist noch sehr gewöhnungsbedürftig, es war seine erste Verwarnung im 59. Profieinsatz für den FC Bayern. Nur in seinen bislang neun Einsätzen für die deutsche Nationalelf war Musiala zuvor mit einer gelben Karte bedacht worden. Und das, weil er in der WM-Qualifikation gegen Nordmazedonien im März das Feld bei seiner Einwechselung in der 89. Minute zu früh betreten hatte.

Man kann es auch so sagen: Jamal Musiala ist bisher ausschließlich als konstruktiver Geist aufgefallen, vor allem mit seinen ballsicheren Dribblings. Er hat sich nach seinem Wechsel vom FC Chelsea im Sommer 2019 schnell als Hochbegabter zu erkennen gegeben, der, wie es sein Münchner Trainer Julian Nagelsmann am Sonnabend formulierte, über ein »Straßenfußballer-Gen« verfügt. Doch nun nutzt Musiala die Abwesenheit von Joshua Kimmich (Lungenbeschwerden nach Corona-Infektion) und Leon Goretzka (Schmerzen an der Patellasehne), um weitere Facetten seiner Begabung und Vielseitigkeit zu zeigen - und in ungewohnter Rolle zu reifen.

Kimmich will sich derweil nun doch impfen lassen, sobald das nach seiner Infektion möglich ist. »Generell war es für mich einfach schwierig, mit meinen Ängsten und Bedenken umzugehen, deshalb war ich auch so lange unentschlossen«, sagte er. Dessen Position im defensiven Mittelfeld besetzte Musiala wie schon gegen den FC Barcelona am vergangenen Mittwoch nun auch in der Bundesliga gegen Mainz. Und wie beim 3:0 gegen Barça erzielte Musiala in der 74. Minute nun nicht nur das letzte, sondern beim mühsamen 2:1 (0:1)-Sieg auch das entscheidende Tor des Spiels. Nach dem Rückstand durch Karim Onisiwo (22.) hatte Kingsley Coman (53.) für die Münchner zuvor ausgeglichen. Und: Den FC Bayern hatte Musiala damit bei sechs Punkten und 18 Toren Vorsprung auf den Tabellenzweiten Dortmund, der beim 1:1 in Bochum Federn ließ, zwei Runden vor Weihnachten zum Herbstmeister geschossen, Nagelsmann zu dessen 100. Bundesligasieg und seinen Klub zur besten Zwischenbilanz nach 15 Spieltagen seit 2015 unter Pep Guardiola.

Vor allem aber wies Musiala nach, dass er sehr schnell lernt und man ihm den Zweitjob in der defensiven Mittelfeldzentrale vertretungsweise durchaus anvertrauen kann. Er wird ein nach vorn denkender Spieler bleiben, der seine größeren Fähigkeiten eindeutig in der Offensive besitzt, in der er sich auf sämtlichen Positionen schon gut einbringen konnte. Nun zeigte er neben seinem Talent und der Fähigkeit, den Takt im Mittelfeld mitzubestimmen, zudem eine taktische Disziplin und Wehrhaftigkeit, die vor der Abwehr essenziell sind. »Defensiv geht es einfach um eine Verlässlichkeit. Die hat er in den meisten Szenen auf der ungewohnten Position gehabt in beiden Spielen gegen Barcelona und Mainz«, lobte Nagelsmann. Musiala müsse »kein Gennaro Gattuso« werden, also kein besonders raubeiniger zentraler Mittelfeldspieler. Aber, sagte Nagelsmann: »Irgendwann wächst du aus dem Talentstatus heraus. Er hat ja den Spitznamen Bambi, und der Bambi-Schutz ist dann irgendwann weg, dann geht es um eine Verlässlichkeit.«

Der erfahrene Kollege Thomas Müller hatte Musialas Lernbereitschaft und das Engagement in der Defensive schon nach dem Spiel gegen Barcelona hervorgehoben. »Wir sind beide nicht die Schränke der Nation«, sagte der 32-Jährige, aber mit »langen Gräten immer mal wieder reinstochern, mal einen Ball abluchsen, das macht er schon zusätzlich zu diesen schlangenartigen Bewegungen ganz gut«. Müllers Qualitätssiegel: »Jamal Musiala kann man immer bringen - und das heißt beim FC Bayern schon was.« Der Teenager hat also weitere Prüfungen bestanden nach jenen, die er zuletzt für den Führerschein ablegte. Inzwischen bringt ihn seine Mutter nicht mehr mit dem Polo zum Training. Musiala fährt nun selbst, einen im Vergleich zu den Kollegen ebenfalls bescheidenen Kleinwagen. Das eine passt zum anderen: Bayerns Bambi wird gerade erwachsen.

Aus seinem Spektrum gab es auch jene Szene zu bestaunen, in der ihm eine technische Unsauberkeit unterlief. Diese fing er auf, indem er den Ball hinter dem Standbein durchschob und diesen danach in einer Bewegung mit dem Außenrist elegant und wieder sehr sauber in seinen Lauf streichelte. Und schließlich gab es noch seine Torszene, als Musiala zunächst Jean-Paul Boëtius mit einer Körpertäuschung auswackelte, ehe er mit einem Rechtsschuss durch die Beine des Mainzer Sechsers Anton Stach flach ins untere Eck zum Sieg traf. Er habe »nicht viel nachgedacht, einen kurzen Trick gemacht und einfach abgezogen«, sagte Musiala.

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