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Er wollte nicht töten
Ausstellung zum 100. Geburtstag von Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann
»Die Wahrheit ist: Ich wollte nicht töten. Und ich wollte leben.« Das sagte der mit 19 zur faschistischen Kriegsmarine eingezogene Ludwig Baumann (1921-2018) später über seinen Entschluss, sich von der Truppe zu entfernen. 1942 desertierte er mit seinem Kameraden Kurt Oldenburg in der Nähe von Bordeaux. Bevor die beiden das von Hitlerdeutschland nicht besetzte Südfrankreich erreichten, wurden sie von eine Zollstreife gestellt. Obwohl bewaffnet, ließen sich Baumann und Oldenburg widerstandslos festnehmen. Sie hatten das Morden satt.
Jetzt, am Montag, wäre Baumann 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass eröffnete am Sonntag im Potsdamer Jugendzentrum Freiland eine Freiluftausstellung, die an das Schicksal von Ludwig Baumann erinnert.
Wie 30 000 andere Wehrmachtsdeserteure wurde er zum Tode verurteilt. »An der Front kann man sterben, ein Deserteur muss sterben«, hatte Adolf Hitler proklamiert. An dieser Einstellung orientierte sich die NS-Militärjustiz. 20 000 Deserteure wurden hingerichtet. Für Baumann wurde das Todesurteil in eine Haftstrafe umgewandelt. Er kam ins 1936 aufgelöste KZ Esterwegen, das weiter als Gefangenenlager genutzt wurde, dann ins Wehrmachtsgefängnis in Torgau, schließlich »zur Bewährung« in eine Strafkompanie an die Ostfront. Weniger als 4000 deutsche Deserteure hatten wie Baumann Glück und überlebten den Zweiten Weltkrieg.
Doch in der alten Bundesrepublik galten sie als »Feiglinge«, »Vaterlandsverräter« und »Dreckschweine«, wie auch Baumann erfahren musste. Ihn schlugen ehemalige Soldaten zusammen. Als er das auf der Polizeiwache anzeigen wollte, ist er dort noch einmal verprügelt worden. Baumann litt und vertrank das Erbe seines Vaters. Erst als seine Frau starb, ließ er die Finger vom Alkohol.
1990 gründete Baumann mit 37 Deserteuren und mit Historikern die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Die Vereinigung kämpfte für die Rehabilitierung der Verurteilten. Doch CDU und CSU blockierten das. »Als 1998 eine rot-grüne Bundesregierung übernahm, hoffte Baumann auf eine schnelle Aufhebung der Urteile«, heißt es in der Potsdamer Freiluftausstellung. »Aber wenig später bombardierte die Nato völkerrechtswidrig Belgrad, und das Interesse an einer schnellen Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure war bei SPD und Grünen begrenzt.« Erst 2002 wurden die Unrechtsurteile endlich aufgehoben.
In Potsdam gibt es am Platz der Einheit ein Deserteursdenkmal. Aufgestellt wurde es 1990 im Beisein von Ludwig Baumann. 1996 bildete sich hier in Potsdam eine Initiative, die den Fahnenflüchtigen für den Friedensnobelpreis vorschlug. Baumann gehörte zu den 117 Nominierten gehörte. Der entsprechende nd-Zeitungsausschnitt ist Teil der am Sonntag eröffneten Ausstellung. Bekommen hat Baumann den Friedensnobelpreis am Ende nicht, dafür mehrere andere Friedenspreise. Das Bundesverdienstkreuz hingegen lehnte er ab, weil er keinen Orden angeheftet bekommen wollte, der auch an alte Nazis verliehen wurde. Engagiert hat sich Baumann auch für soziale Gerechtigkeit.
Auf die Beine gestellt wurde die Ausstellung im Freiland vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam. Für den Inhalt zeichnen Lutz Boede, Lothar Eberhardt und Jörg Kwapis verantwortlich. Um die Gestaltung kümmerte sich Michael Mallé. Acht großflächige Banner mit Texten und Fotos sind an Bauzäumen angebracht. Da es sich um eine Ausstellung an frischer Luft handelt, könne sie ungeachtet aller Corona-Maßnahmen jederzeit besichtigt werden, sagte Lutz Boede bei der Eröffnung.
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