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EU-Grenzregime am Pranger
In Berlin und anderen Städten protestierten Aktivisten gegen das Agieren der Behörde Frontex
»Europa ganz neu erleben: Das können Sie jetzt im Erlebnis Europa - der kostenlosen Dauerausstellung im Europäischen Haus Berlin.« Mit diesen Worten wirbt die auf Initiative der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Institution im Berliner Regierungsviertel um Besucher*innen für eine Ausstellung nahe dem Brandenburger Tor. Passanten konnten allerdings am Samstagnachmittag für einige Stunden ein ganz anderes Europa erleben. Etwa 80 Menschen blockierten die Eingänge zum Europäischen Haus. Sie skandierten: »Um Europa keine Mauer«. Die Polizei griff während der mehrstündigen Mahnwache nicht ein. Es wurden auch keine Personalien aufgenommen.
»Mit dieser Aktion setzten wir am Internationalen Tag der Migrant*innen für mehrere Stunden ein klares Zeichen für die Abschaffung von Frontex und gegen die aktuelle Grenzpolitik der EU«, erklärte Frieda Dannenberg von der Aktion »Frontex abschaffen«. Die Aktivist*innen hatten sich an mehreren Treffpunkten in Berlin getroffen, um zur Blockade zu gelangen. Das Ziel für ihre Aktion hätten sie sich bewusst ausgesucht, sagte Dannenberg im Gespräch mit »nd«.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
»Im Europäischen Haus schmücken sich die EU-Kommission und das Europäische Parlament öffentlich mit den europäischen Werten, während ihre Grenzpolitik täglich Menschenleben fordert«, ergänzt ihr Mitstreiter Leo Koch. »Die Reaktion der neuen Bundesregierung macht uns deshalb fassungslos: Statt ihrer Verantwortung zur Einhaltung von Menschenrechten nachzukommen, plädiert sie im Koalitionsvertrag für einen weiteren Ausbau von Frontex zu einer ›echten EU-Grenzschutzagentur‹.«
Für die Antirassist*innen hingegen ist das Einschreiten von Frontex etwa an der östlichen EU-Grenze jedoch keine Alternative zur restriktiven und EU-Recht widersprechenden Abschiebepolitik der polnischen Regierung. Sie unterstützen vielmehr den Forderungskatalog des Bündnisses »Frontex abschaffen«, das am Samstag eine Demonstration zum Berliner Regierungsviertel organisierte, an der sich etwa 800 Menschen beteiligt hatten. Entlang der Route waren Plakate zu sehen, auf denen die EU-Grenzagentur angeklagt wurde, für Leid und Tod Geflüchteter verantwortlich zu sein. Sie waren im Rahmen einer sogenannten Adbusting-Aktion platziert worden. Als der Demonstrationszug am Europäischen Haus ankam, lösten die Aktivist*innen die Blockade auf und schlossen sich der Demo an. Neben der Abschaffung von Frontex wurde dort auch ein Ende der Abschiebungen und der Militarisierung der Grenzen in Europa gefordert.
Auch in anderen Städten gingen am Samstag weltweit Menschen aus Anlass des Tages der Migrant*innen auf die Straße. Die UNO hatte den 18. Dezember im vergangenen Jahr dazu erklärt.
In Europa gab es am unter anderem in Brüssel und Amsterdam größere Kundgebungen. Am Amsterdamer Flughafen Schiphol blockierten bereits um 7 Uhr Antirassist*innen die Eingänge zur Königin-Máxima-Kaserne. Das dort befindliche Border Security Training Center ist ein Schulungsort für Frontex-Beamte.
In Berlin betonten sowohl die Organisator*innen der Demonstration als auch jene Aktiven, die das Europahaus blockiert hatten, ihr Ziel sei nicht die Reformierung von Frontex. »Vielmehr geht es darum, das System zu verändern, das eine solche Behörde am Leben erhält«, sagt Frieda Dannenberg. Ziel sei es, »eine Gesellschaft aufzubauen, in der Menschen sich frei bewegen und frei leben können«. Da diese Ziele aktuell nicht durchzusetzen sind, geht es den Aktivist*innen auch um konkrete Solidarität mit den Geflüchteten, die weiter bei winterlichen Temperaturen an den EU-Außengrenzen festsitzen. Auch wenn sie in den hiesigen Medien nicht mehr so häufig erwähnt werden, versuchen immer noch Menschen, über die polnisch-belarussische Grenze in die EU zu gelangen, was von der polnischen Regierung massiv behindert wird. Mittlerweile gibt es zahlreiche Solidaritätsaktionen, die vor allem von der außerparlamentarischen Linken getragen werden.
Unterdessen haben zivile Initiativen am Wochenende im Mittelmeer erneut zahlreiche Menschen aus Seenot gerettet. Allein die deutsche Organisation Sea-Eye brachte mehr als 220 Personen vor einem heraufziehenden Sturm in Sicherheit, wie sie am Freitagabend berichtete. Wie die italienische Zeitung »La Repubblica« am Samstag berichteten, hat ein etwa einjähriger Junge ohne Angehörige die Fahrt in einem Flüchtlingsboot über das Mittelmeer überlebt. Es sei auf dem Boot inmitten von rund 70 Männern entdeckt worden. Sie seien offenbar von den Eltern gebeten worden, das Kind nach Europa zu bringen. Die Eltern selbst seien womöglich an der Überfahrt gehindert worden.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen schilderte derweil das Schicksal eines 14-jährigen Bootsflüchtlings, dessen Mutter bei einer Rettungsaktion vor Lampedusa gestorben sei. »Sie war auf einem Boot mit 25 weiteren Menschen unterwegs, darunter ihr Sohn, der sie ertrinken sah.«
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