Adieu, Rotes Rathaus

Nach sieben Jahren als Regierender verlässt Michael Müller die Berliner Landespolitik

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Offizielle Termine gilt es bis zum Schluss wahrzunehmen. Noch am Montag stellt sich der Noch-Regierende Bürgermeister Michael Müller den Fragen von Schülerinnen und Schülern bei einer Podiumsdiskussion. Auch Interviews in Fernsehen und Radio werden bis zuletzt gegeben. Dazwischen gilt es, das Büro im Roten Rathhaus auszuräumen, auch im alten Wahlkreisbüro in Tempelhof-Schöneberg müssen Kisten gepackt werden. Zugleich müssen die neuen Büros im Bundestag und im neuen Wahlkreis in Charlottenburg-Wilmersdorf eingeräumt werden. Der scheidende Regierende Bürgermeister Michael Müller hat derzeit noch einiges zu tun, bevor es an diesem Dienstag endgültig »Adieu« Rotes Rathaus zu sagen gilt. Denn mit der Wahl der designierten Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erlischt Müllers Amt als Regierender, das er seit 2014 als Nachfolger von Klaus Wowereit ausgefüllt hatte. Erst in einer Großen Koalition und dann 2016 in einer Dreier-Koalition mit Linken und Grünen, dem ersten rot-rot-grünen Bündnis unter Führung der SPD in Deutschland.

Am Sonntagabend nimmt Michael Müller dann noch an einem Termin teil, der ihn auch persönlich stark betrifft: der Andacht an die nunmehr 13 Opfer des islamistischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Müller war als Senatschef vor fünf Jahren nach dem Terroranschlag vor Ort, er hat die furchtbare Stille nach dem islamistischen Angriff erlebt. »Mein Soll an Krisen ist aktuell erfüllt«, hatte er als vorläufige Bilanz seiner Amtszeit im Interview mit dieser Zeitung einmal erklärt. Neben dem Terroranschlag gleich zu Beginn der rot-rot-grünen Koalition galt es für Müller auch noch das BER-Chaos und die Zuwanderung von Geflüchteten aus Krisenregionen zu bewältigen. Am Ende kam noch die Coronakrise obendrauf, die ganz aktuell mit der drohenden Omikron-Welle auch den neuen Senat stark beschäftigen dürfte. »Und wir konnten mit unserem Weg bisher vielen Menschen helfen. Das zu tun, ist eine Aufgabe, die ich sehr ernst nehme und für die man auch Politiker wird«, erklärte Müller seinerzeit gegenüber »nd« seine Motivation in die Politik zu gehen.

Es ist eine prototypische SPD-Aufstiegskarriere, die Müller absolviert: Noch vor der Mittleren Reife tritt er in die sozialdemokratische Partei ein, durchläuft eine kaufmännische Lehre. Anschließend arbeitet er als selbstständiger Drucker in der familieneigenen Druckerei in Tempelhof. Parallel macht Müller die Ochsentour durch die parteipolitischen und institutionellen Ebenen mit. Wirkt zunächst auf lokaler Ebene in der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg mit, wird Parteitagsdelegierter. Mitte der neunziger Jahre dann der Sprung ins Abgeordnetenhaus. Ab 2001 dann der Posten des mächtigen Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus, dann ab 2004 auch noch Landesvorsitzender. Müller vereint damit gleich zwei Machtzentren in der Partei, ist quasi der natürliche Kronprinz und Wegbegleiter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, dem er den Rücken freihält. Als solcher ist Müller auch ein Architekt der damaligen rot-roten Koalition. Was heute normal ist, die Regierungsbeteiligung einer sozialistischen Partei, war damals für einige konservative Kräfte ein Skandal. Doch nach dem Bankenskandal war die Zeit reif für ein Linksbündnis in Berlin. Auch im »nd« gibt es häufig Interviews mit Müller, der auch gern gesehener Gast auf dem Pressefest der Zeitung war.

Mit der politischen Linken teilt Müller die Ablehnung der extremen Rechten und die Kritik an einigen neoliberalen Irrwegen. So stimmte Müller 1999 beispielsweise gegen die skandalöse Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, die erst Jahre später gegen viel Geld wieder rückgängig gemacht werden konnte. Seine klare Kante gegen die extreme Rechte hat Müller auch immer wieder Drohungen eingebrockt. Vor Kurzem erhielt der scheidende Regierende Bürgermeister einen Drohbrief mit einem in Aluminium gewickelten Stück Fleisch und der Drohung, »blutigen Widerstand« gegen die Impfpflicht zu leisten. Müller, den als Regierender ständig mehrere Personenschützer begleiten, hatte sich zuvor für eine Impfpflicht ausgesprochen. Als Senatschef musste er einsehen, dass Appelle und Rundschreiben alleine im Kampf gegen Corona nicht ausreichen.

Dass Müller nicht wie andere nach ihren Regierungsämtern die Füße hochlegt, sondern als 57-Jähriger im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten im Bundestag durchstarten will, verwundert nicht. Wer Müller auf seinen Auslandsreisen erlebt hat, weiß, dass der scheidende Regierende gerne reist. Am liebsten erkundet er Mega-Metropolen wie Tokio zu Fuß. Als Bundesratspräsident war Müller im Ausland unterwegs und auch als Regierender Bürgermeister nahm er an zahlreichen internationalen Treffen wie dem »Urban 20 Mayors Summit« teil, einem Gipfelformat der größten Metropolen.

Klaus Lederer, der wohl als Vizesenatschef der Linkspartei auch in den kommenden fünf Jahren im Roten Rathaus bleiben wird, sagt zum Abschied Müllers: »Es waren keine einfachen fünf Jahre, wir haben beide viel gelernt - ich bin dankbar für das freundschaftliche und mehr und mehr vertrauensvolle Miteinander.«

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