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Anstöße für feministische Debatten
Die neue Ausgabe der Zeitschrift »Cilip« beschäftigt sich mit den Themen Sex, Gender und Kontrolle
Am 26. Juni 2021 wurde in Wien die Leiche einer 13-Jährigen entdeckt. Zwei afghanische Teenager wurden verdächtigt, das Opfer sexuell missbraucht und erstickt zu haben. In Österreich spekulierten Polizei und Presse über gemeinsamen Ecstasy-Konsum in der Wohnung eines der Teenager oder ein »Gefügigmachen« des Mädchens durch Drogen. In Deutschland ist über den Fall wenig bekannt. Dennoch wussten es Rechte im Netz gleich ganz genau. Sie behaupteten, dass eine Frau aus islamistischem Frauenhass getötet worden sei. Unter dem Hashtag #Femizid beklagen sie ein vermeintliches Schweigen der Feminist*innen, weil die Täter Migranten waren. Die Rechten interessieren sich in der Regel nur dann für Gewalt gegen Frauen oder Transpersonen, wenn hinter den Taten Migrant*innen vermutet werden.
Die aktuelle Ausgabe 126 der Zeitschrift »Cilip«, die den Untertitel »Bürgerrechte und Polizei« trägt, widmet sich nun den schwierigen Debatten um Sex, Gender und Kontrolle. Der staats- und machtkritische Impetus der Gründerjahre in den späten 1970er Jahre wird auch in dem aktuellen Themenheft deutlich. So betont die Publizistin Jenny Künkel in ihrem einführenden Aufsatz, dass Cilip »die Engführung der Perspektive auf Polizei und Strafe als Lösung vermeiden« wolle. Daniela Klimke und Rüdiger Lautmann äußern sich in ihrem Beiträge über die » Neoliberalisierung des Sexuellen« kritisch zu der zunehmenden Skandalisierung sexueller Gewalt in den öffentlichen Medien.
Beide Autor*innen warnen vor einer uferlosen Ausweitung des Begriffs der sexuellen Gewalt. Sie zeichnen die Debatte der letzten 40 Jahre nach. Noch in den 1970er Jahren habe das kindliche Opfer sexueller Gewalt im Zentrum gestanden. Nun verlagert sich die Debatte auf immer neue erwachsene Opfergruppen. Die Kehrseite sei die Ausblendung anderer Gewaltverhältnisse. »Die strukturellen Benachteiligungen in der Lohnungleichheit, der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, den Karrierechancen, dem mangelnden Mut zu Unternehmensgründungen bis hin zu mikrosoziologischen Befunden der alltäglichen Arbeitsteilung in Beruf und Familie ... lassen sich nicht auf sexuelle Gewalt und nicht einmal auf einen strukturellen Sexismus reduzieren«, schreiben sie.
Wie sich die veränderte Geschlechterdebatte auf den Polizeialltag auswirkt, ist das Thema von Kai Seidensticker und Eva Brauer. Auch wenn es mittlerweile mehr Frauen im Polizeidienst gibt, so drückt sich die Polizeimännlichkeit darin aus, dass bei angeblich besonders gefährlichen Einsätzen keine Frauen dabei sind.
Zudem sei zu beobachten, dass manche männliche Polizisten Migrant*innen gerne belehren, dass sie hier in Deutschland seien und auch mit Polizist*innen reden müssten. »Im Namen der Gleichberechtigung wird ein Zusammentreffen einer kulturalisierten männlichen Bewohnerschaft mit den ›zivilisierten‹ männlichen Polizisten (re)inszeniert«, so die Kritik von Eva Brauer.
Die Bandbreite feministischer Positionen in der »Cilip«-Ausgabe wird ergänzt durch einen Aufsatz der Publizistin Anne Roth und einem Interview der Berliner Rechtsanwältin Christina Clemm. Roth kritisiert, dass Frauen, die Opfer digitaler Gewalt werden, von der Polizei und Justiz bisher wenig Unterstützung zu erwarten haben. Ein Großteil der Verfahren werde eingestellt. Clemm begründet im Interview, warum sie trotz vieler negativer Erfahrungen das Strafrecht im Kampf für Frauenrechte nutzen will. »Man kann noch so kritisch gegenüber Haftstrafen sein, aber für manche Betroffene ist es einfach unendlich wichtig, dass sie ein paar Jahre Ruhe vor dem stalkenden, gewalttätigen Ex-Partner haben, um sich ihr Leben neu zu organisieren, einen ruhigen Ort zu finden.« Die »Cilip«-Ausgabe bietet also wieder viele Anregungen und Anstöße für linke und feministische Debatten.
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