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Olympische Show mit Makel
Der diplomatische Boykott Japans trifft die Gastgeber der Winterspiele von Peking besonders hart
Ende November prophezeite die »Global Times«, Chinas englischsprachiges Staatsblatt, dass der Weg zu den Olympischen Winterspielen von Peking kein Spaziergang werden würde: »Dieses Ereignis wird nicht nur ein klarer Stresstest für Chinas Fähigkeit, auf diverse Krisen zu reagieren, sondern auch ein Katalysator für Chinas mentales Wachstum als Großmacht.« Denn bald dürften sich, so die Tageszeitung, »anti-chinesische Kräfte« zusammentun, um China das Leben schwerzumachen.
Gewissermaßen ist es genau so gekommen. Zwar würden sich die liberalen Industriestaaten der Welt kaum selbst als »anti-chinesisch« bezeichnen, aber den am 4. Februar startenden Winterspielen haben sie einen unübersehbaren Makel verpasst. Anfang Dezember erklärten die USA, wegen diverser Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung keine politischen Vertreter zu den Winterspielen zu schicken. Dieser Entscheidung schlossen sich kurz darauf Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Belgien und Litauen an.
Am Freitag verkündete dann auch noch Japan, dass kein Regierungsmitglied nach Peking reisen wird. »Wir finden, dass es wichtig ist, dass universelle Werte wie Freiheit, Respekt für Menschenrechte sowie Gewaltenteilung in China gesichert sind«, sagte Hirokazu Matsuno, Chefsekretär von Japans Regierung, in Tokio. »Wir haben die Entscheidung unter Erwägung all dieser Faktoren getroffen.« Nur Vertreter aus der Sportwelt werden anreisen. Die Formulierung »diplomatischer Boykott«, das seit Wochen international kursiert, wollte Matsuno dabei aber nicht verwenden.
Olympia auf politischem Glatteis Die USA verkünden einen diplomatischen Olympiaboykott der Spiele in Peking. Der Druck auf Deutschland wächst
Gerade die Absage aus Japan markiert für die Organisatoren in Peking eine diplomatische Niederlage. Über die Boykottentscheidung aus den USA hatte die chinesische Regierung zunächst widersprüchlich und passiv-aggressiv reagiert: »Es interessiert niemanden, ob sie kommen oder nicht«, hatte Zhao Lijian behauptet, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. »Ob sie erscheinen, hat keinen Einfluss auf Pekings erfolgreiche Austragung der Winterspiele.« Außerdem seien sie sowieso nicht eingeladen gewesen. Kurz darauf kündigte China Konsequenzen an. Von Japan aber hatten sich die Gastgeber deutlich gewünscht, dass es die Winterspiele von Peking unterstütze. Die »Global Times« schrieb zuletzt: »Japan sollte Zutrauen bewahren, nachdem China den Spielen von Tokio seine volle Unterstützung gewährt hat und zudem 2022 das 50-jährige Jubiläum der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Japan markiert.« Auch nach dem Entschluss von Tokio wurde am Freitag die Forderung nach Kooperation erneut gestellt.
Der Grund dafür ist eindeutig. China und Japan, die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften der Welt, haben trotz enger ökonomischer Verbindungen höchst komplizierte Beziehungen zueinander. Das liegt unter anderem an Kriegsverbrechen Japans gegen China im Zweiten Weltkrieg, einigen Territorialkonflikten und einer Rivalität um Einfluss im pazifischen Raum. Aber als mit dem Beginn der Pandemie die ursprünglich für den Sommer 2020 in Tokio geplanten Olympischen Spiele in der Coronakrise um ein Jahr verschoben werden mussten, hatte China seinem ungeliebten Nachbarn schnell und unüberhörbar Hilfe angeboten.
Im vergangenen März – vier Monate vor dem verschobenen Start der Sommerspiele – wollte China sogar Impfstoffe für die ganze Welt bereitstellen, damit die Tokioter Spiele auch wirklichh stattfinden können. Schon der Stolz der nationalistisch eingestellten Regierung Japans hätte es wohl verhindert, so ein Angebot anzunehmen. Hinzu kam, dass die chinesischen Vakzine in vielen Ländern, Japan eingeschlossen, nicht zugelassen waren. All dies wusste man in China genau. So wirkte das Pekinger Hilfsangebot wie eines mit dem Hintergedanken, sich damit Japans Unterstützung für die folgenden Winterspiele im Februar zu sichern.
Die Pekinger Spiele stehen unter dem Slogan »Together for a shared future«. Der Name »Zusammen für eine gemeinsame Zukunft« soll solcherart Programm werden: Wie jeder Staat, der Olympische Spiele ausrichtet, will sich auch China in einem positiven Licht präsentieren, seine kulturelle und diplomatische Einflusssphäre vergrößern und sein Image verbessern. Dabei hat die Regierung des Landes, die Menschen in Umerziehungslager steckt, Journalisten verhaftet und Proteste niederknüppeln lässt, dies besonders nötig. International hat der Ein-Parteien-Staat kaum Freunde. Olympia, die größte Sportveranstaltung der Welt, soll hierbei helfen.
Das Fernbleiben japanischer Regierungsvertreter schmerzt nun auf dreifache Weise. Nicht nur werden hierdurch die komplizierten Nachbarschaftsbeziehungen noch schwieriger. Als Gastgeberland der letzten Olympischen Spiele vor nur einem halben Jahr ist die Absage aus Tokio, mit Pekings Vertretern gemeinsam den Sport zu feiern, besonders symbolhaft. Und zuletzt könnte der Beschluss des im pazifischen Raum einflussreichen Industriestaates Japan auch noch die Absagen weiterer Länder nach sich ziehen. Eine PR-Show kann »Beijing 2022« damit höchstens noch teilweise werden.
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