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Windenergie muss sich für alle lohnen
Wie es mit den Energiezielen der Ampel klappen kann
Dreimal so schnell! Mit dreifachem Tempo wollen die Ampel-Koalitionäre die erneuerbaren Stromkraftwerke ausbauen. Das ist ein zentrales Ziel des Reformprojekts von bündnisgrüner Seite. Die neue Regierung plant, den deutschen Stromverbrauch im Jahr 2030 zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. In diesem Jahr waren es nach vorläufigen Schätzungen etwa 45 Prozent. »Das wird eine große Kraftanstrengung«, erklärt der neue Klima- und Wirtschaftsminister. Notwendig sei »eine Verdrei- bis Vervierfachung der Ausbaugeschwindigkeit«, so Robert Habeck (Grüne). Denn der Stromverbrauch wird steigen, durch zunehmende Elektromobilität genauso wie durch die Wasserstofftechnik oder klimafreundliche Heizungen, die Öl und Gas ersetzen sollen.
Stellt sich also die Frage: Eine Verdopplung der aktuellen Kapazitäten in nur acht Jahren – wie soll das gelingen? Vor allem, wenn die FDP mit am Kabinettstisch sitzt. »Mut zu erneuerbaren Energien« ist der Fraktionsbeschluss der Liberalen aus dem letzten Jahr überschrieben, darin heißt es: »Wir wollen das Energiesystem stärker durch marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen steuern.« Das liest sich wie eine Drohung.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Früher, also bevor die FDP 2011 mit Philipp Rösler den Wirtschaftsminister stellte, wurden Biomasse-, Wind- oder Solarkraftwerke durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ausgebaut. Wer ein unternehmerisches Risiko eingehen wollte, konnte dies dank des »Einspeisevorrangs« für Erneuerbare ins Stromnetz tun. Denn erst dieser »Vorrang« stellte sicher, dass der Anlagenbetreiber sein Produkt auch tatsächlich 20 Jahre lang verkaufen kann. Und dank einer festgesetzten Einspeisevergütung lässt sich errechnen, wann ein Kredit refinanziert sein, eine Anlage profitabel arbeiten wird: Zuletzt lag diese EEG-Umlage bei knapp 7 Cent für kleine Solaranlagen. Zum Vergleich: Strom aus der Steckdose kostet vielerorts 30 Cent.
Aber diese Praxis war der FDP zu wenig Marktwirtschaft. Sie erfand erstens den Solardeckel – künftig sollte der Staat bestimmen, dass nie mehr als 2500 Megawatt solare Leistung pro Jahr aufgestellt werden. Zweitens führte Philipp Rösler die Ausschreibung ein: Wer beispielsweise einen Windpark bauen will, der soll bitteschön vorher kalkulieren, zu welchem Preis dies möglich sei, und dafür bieten. Der günstigste Anbieter erhält dann den Zuschlag und darf bauen. Was folgte, hätte Gerhard Schürer mit seiner Staatlichen Plankommission in der DDR nicht besser hinbekommen: Im Auftrag der Regierung legt die Bundesnetzagentur einen Plan über den Ausbau der Erneuerbaren vor und schreibt Kapazitäten für Wind- oder größere Solarparks aus, die ans Netz gebracht werden sollen – im Februar 2020 beispielsweise Windräder mit 900 Megawatt Leistung, im März mit 300, danach im Juni mit 825 Megawatt Windleistung.
Allerdings gibt es praktisch nie genügend Angebote, im Februar kamen lediglich 527 Megawatt zusammen, im März 193, im Juni 467 Megawatt. Die Bundesnetzagentur muss wie einst die Staatliche Plankommission der DDR eingestehen, dass das Plansoll nicht zu erreichen ist. Unter anderem, weil die FDP mit dieser Ausschreibungspraxis die wichtigsten Akteure der Energiewende aus dem Markt gedrängt hat: Bürgerenergiegenossenschaften, die bis zur Einführung der neuen Planwirtschaft gut 1,2 Milliarden Euro in die Erneuerbaren investiert hatten.
Einen Windpark zu planen, kann schnell einen sechsstelligen Betrag verschlingen, den eine Bürgerenergiegenossenschaft nur aufbringen kann, wenn der Park dann wirklich gebaut wird und sich so refinanziert. Bei den Ausschreibungsrunden ist aber im Voraus nicht klar, ob die Genossenschaft den Zuschlag erhält. Falls nicht, bleibt sie auf den Planungskosten sitzen, weshalb sich viele kleinere Genossenschaften an den Ausschreibungen nicht beteiligen können. Die »Mehr-Marktwirtschaft-Partei« FDP hat ein System geschaffen, in dem es weniger Wettbewerb gibt – weshalb weniger Anbieter den Markt bedienen. Früher waren die Bürger Treiber der Energiewende, vor zehn Jahren entfiel mehr als die Hälfte der installierten Leistung auf Privatpersonen und Landwirte. Heute gibt viel zu wenige Bauherren, um das Regierungsziel zu erreichen.
Die EEG-Umlage sei zwar »äußerst wirksam für den bisherigen Erfolg der Energiewende« gewesen, erklärt Aaron Praktiknjo, Professor für Energiesystemökonomik an der RWTH Aachen. Allerdings trage sie in ihrer jetzigen Form dazu bei, dass sich die Schere zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten weiter öffne: »In Deutschland fallen infolge der einkommensunabhängigen EEG-Umlage rund 40 000 Haushalte zusätzlich unter die Armutsgefährdungsschwelle.«
Tatsächlich gehören die Stromkosten in Deutschland zu den höchsten in Europa. Allerdings liegt das nicht nur am Erneuerbare-Energien-Gesetz, wie die FDP argumentiert, sondern auch an der FDP selbst. Jürgen Trittin (Grüne) hatte als Bundesumweltminister Anfang der 2000er Jahre wenige Ausnahmen erlassen, große Stromverbraucher wurden von der EEG-Umlage befreit. Die FDP (und die Union) machten diese »großen« Ausnahmen immer kleiner, zuletzt waren 2200 Firmen in der Bundesrepublik befreit, viele zahlten nur einen Bruchteil der »normalen« EEG-Umlage. Das bedeutet aber, dass die Allgemeinheit diese Kosten mittragen muss: So wurde es teuer für den Handwerksbetrieb oder den Hartz-IV-Empfänger. Systemökonom Praktiknjo schlägt deshalb eine einkommensabhängige EEG-Umlage vor. Die Ampel hat dagegen beschlossen, die EEG-Umlage spätestens 2023 ganz abzuschaffen.
»Für den Ausbau der Windenergie brauchen wir die Bereitstellung von Flächen, das Ende unsinniger Abstandsregeln, Digitalisierung von Genehmigungsverfahren, bessere Ausstattung der Behörden«, erklärt Sven Giegold, neuer Staatssekretär im Wirtschafts- und Klimaministerium. Das mag helfen, denn zuletzt waren die bürokratischen Hürden so hoch, dass selbst hartgesottene Projektierer stöhnten. Allerdings ändert Giegolds Prioritätenliste nichts an den Grundproblemen: Einerseits lässt sich das 80-Prozent-Ziel nur erreichen, wenn es vor Ort mehr Akzeptanz für Solarfelder und Windparks gibt. Andererseits sind wieder wesentlich mehr Investitionen in die Erneuerbaren notwendig.
Das bedeutet, dass es für Otto Normalbürger wieder möglich werden muss, sich an der Energiewende zu beteiligen. So wie beim ersten großen Schub in den 2000er Jahren müssen Robert Habeck und sein Team Wege finden, privates Kapital zu mobilisieren.
Mag sein, dass sich auch Stromkonzerne wie RWE oder Eon am 80-Prozent-Ziel beteiligen. Aber längst nicht im nötigen Umfang: Jedes neu aufgestellte Windrad macht das eigene Kohlekraftwerk überflüssig. Wir brauchen deshalb frische Investitionen jenseits der Energiewirtschaft. Vielen Energiegenossenschaften kann man bereits mit 200 Euro beitreten, mehr als zwei Millionen Deutsche haben bislang in die Energiewende investiert. Ganz nebenbei steigert das die Akzeptanz: Wo Anwohner beteiligt sind, sucht man oft vergebens eine Initiative gegen neue Windparks.
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