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Russlands stille Donbass-Sezession
Moskau treibt die wirtschaftliche Integration der Volksrepubliken in der Ostukraine voran
Es ist ein offenes Geheimnis: Die beiden selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der ostukrainischen Donbass-Region sind seit Beginn des Krieges im Frühjahr 2014 finanziell, militärisch und politisch von Russland abhängig. Allerdings hat Moskau zunächst vor allem die Grundausrichtung der Separatistenrepubliken etwa in Hinblick auf die Friedensverhandlungen in Minsk koordiniert, während lokale Eliten aus Donezk und Luhansk bei inneren Angelegenheiten oft zerstritten waren und unter anderem hart über Zolleinnahmen diskutierten. Ende 2021 scheint die Zerstrittenheit der Separatisten vom Tisch zu sein. Denn seit Oktober gibt es zwischen den Volksrepubliken Donezk und Luhansk keine Grenz- und Zollkontrollen mehr, eine weitgehende wirtschaftliche Integration ist sogar das von beiden Seiten angepeilte Ziel.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die Rolle Russlands, das früher eher mit inoffiziellen militärischen Hilfen sowie mit den indirekten Auszahlungen der Gehälter und Renten aufgefallen ist, wird immer klarer und offensichtlicher. Sie beschränkt sich nicht auf die seit Frühjahr 2019 laufende Ausgabe der russischen Pässe - mehr als 600 000 Bewohner der Separatistengebiete hatten bis zum Sommer dieses Jahres einen russischen Pass erhalten - sowie auf die faktische Teilnahme dieser neuen Staatsbürger an der russischen Parlamentswahl im September 2021 -, sondern greift weit ins wirtschaftliche Geschehen ein. Zwar begann die wirtschaftliche Annexion der besetzten Donbass-Gebiete durch Russland schon früh mit dem Übergang zum russischen Rubel als offizielle Währung.
Doch mit dem neuen Erlass des russischen Präsidenten Wladimir Putin von Mitte November erreicht dies einen neuen Höhepunkt. Denn nun ist der russische Markt für die Waren aus den beiden Separatistenrepubliken offiziell offen. Außerdem dürfen Unternehmen aus dem Separatistengebiet an staatlichen russischen Ausschreibungen teilnehmen und erhalten insgesamt sogar bessere Bedingungen als zum Beispiel Belarus, mit dem Moskau einen Unionsstaat bildet.
Vor dem jüngsten Erlass von Putin mussten Firmen aus den Volksrepubliken beispielsweise ein Tochterunternehmen in Russland haben, um dort etwas verkaufen zu dürfen. Nun werden die Konformitätsbescheinigungen der Volksrepubliken ohne Weiteres in Russland anerkannt - und es handelt sich dabei um eine Geschichte, die ein durchaus bedeutendes Vorspiel hat. Denn noch im Juni wurden die wichtigsten sieben Industriebetriebe von Donezk und Luhansk vom systemtreuen russischen Investor Jewgenij Jurtschenko übernommen, der früher als Vizegouverneur des russischen Regierungsbezirks Woronesch fungierte und bei einigen staatlichen Unternehmen mitwirkte. Mit der Stahl- oder Kohleindustrie hatte Jurtschenko vorher aber nie etwas zu tun.
Im nächsten Jahr will Jurtschenko nach eigenen Angaben mehr als 127 Millionen Euro in die Betriebe investieren und schließt auch den Kauf anderer Unternehmen aus dem Bereich nicht aus. In diesem Jahr haben mysteriöse Strukturen um Jurtschenko neben anderen Investitionen angeblich etwa 36 Millionen Euro bezahlt, um ausstehende Lohnzahlungen zu begleichen und die Gehälter grundsätzlich zu erhöhen. Diese Pläne passen zu den Berichten der ukrainischen Medien, die von zehn Milliarden Euro sprechen, die Russland in den Jahren 2022 bis 2024 offenbar in die Auszahlung von Gehältern und Renten investieren möchte, um das Gehaltsniveau in der Region angeblich an das des russischen Nachbarbezirks Rostow anzupassen.
Aus dieser faktischen wirtschaftlichen und politischen Integration folgt vor allem eines: Während Russland der Ukraine seit Jahren die Nichterfüllung des Minsker Abkommens vorwirft, unternimmt Moskau selbst kontinuierlich Schritte, welche mit dem Abkommen nicht zu vereinbaren sind, das ursprünglich als eine Art Fahrplan für die Reintegration der besetzten Gebiete in den ukrainischen Staat dienen sollte. Damit wird auch klar, dass Russland mit den Volksrepubliken langfristig plant und eventuell sogar von deren wirtschaftlicher Eigenständigkeit träumt. Diese würden kostspielige russische Zuschüsse in der Zukunft überflüssig machen. Dieses Szenario ist allerdings ohne die wichtige Hafen- und Industriestadt Mariupol, die sich unter ukrainischer Kontrolle befindet, nahezu unmöglich. Und selbst mit der Hafenstadt Mariupol wäre es noch ein äußerst schwieriges Unterfangen.
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