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- Wasser in Berlin und Brandenburg
Pumpen bis zum Trockenfallen
Berlin und Brandenburg haben nur scheinbar Wasser in Hülle und Fülle
Immer wieder stemmt sich der riesige Bohrer in den Untergrund. Bis zu 40 Meter tief dringt er in die Erde ein. Dort befinden sich die Grundwasserleiter in der Nähe des Wasserwerks Friedrichshagen, entlang der so genannten »Brunnengalerie B«, wie Stephan Natz von den Wasserbetrieben erläutert. 90 Zentimeter Durchmesser hat das Bohrloch eines typischen Berliner Brunnens, von denen es rund 650 Stück im Stadtgebiet gibt. »Gerade sanieren wir hier in Friedrichshagen 40 Brunnen. Wir legen also keinen neuen Brunnen an. Dies wird aber nächstes Jahr sicher der Fall sein, was vor allem mit der Bevölkerungsentwicklung in Berlin zusammenhängt«, sagt Natz zu den Baumaßnahmen.
Auch wenn Alarmismus nicht sein Metier ist, sieht der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe durchaus Herausforderungen auf die Wasserversorgung zukommen. Vor allem wegen des Klimawandels: »Die Durchschnittstemperaturen steigen kontinuierlich. Im Sommer gibt es lange Trockenphasen.«
Die Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sehen die Gefahr auch. In einer Analyse für Brandenburg arbeiteten die Forscher Manfred Stock und Fred Hattermann Ende 2021 heraus, dass in den letzten Jahren der Niederschlag deutlich geringer war als im Durchschnitt der Jahre 1961 bis 2020, wobei 2021 wohl wieder durchschnittlichen Niederschlag geliefert hat. Hinzu komme ein kontinuierlicher Anstieg der Durchschnittstemperatur, der für eine erhöhte Verdunstung sorge. Wenn weniger Niederschlag falle und die Temperatur steige, könne sich das verfügbare Wasser deutlich reduzieren, so die Wissenschaftler. Die Folgen sind messbar: Seit 1951 nimmt die Grundwasserneubildung an der Messstelle Potsdam kontinuierlich ab und sei von rund 200 auf aktuell im Schnitt 120 Liter pro Quadratmeter im Jahr gesunken.
Auch die Geologin Irina Engelhardt, die an der Technischen Universität Berlin forscht und das dortige Institut für Hydrogeologie leitet, macht deutlich, dass in der Region bereits »naturräumlich bedingt (ein) geringes Wasserdargebot bestehe« und Klimaveränderungen zusätzlich einen »erheblichen Einfluss auf den Wasserhaushalt« haben werden. Als zusätzliche Belastung sieht sie die Herausforderungen durch den bevorstehenden Kohleausstieg. Dadurch werde der Spreeabfluss immer weiter verringert. Stephan Natz spricht in diesem Zusammenhang schon jetzt gerne von den »Flussdarstellern« Spree und Havel, da hier - vor allem in den Sommermonaten - quasi nichts mehr fließe, beziehungsweise allein die Abflüsse der Berliner Klärwerke für eine gewisse Fließbewegung sorgten.
Im Berliner Umland stellt sich das Problem Trinkwasserknappheit bereits jetzt zum Teil dramatisch dar. Erst Anfang Dezember kam die Nachricht vom möglichen Scheitern der Ansiedlung eines Rechenzentrums in Neuenhagen - vor den Toren Berlins. Grund hier: Der Trinkwasserbedarf, den das laut Medienberichten von Google geplante Rechenzentrum für die Kühlung der Server benötigt hätte, war so hoch dass der zuständige Wasserversorger, der Wasserverband Strausberg-Erkner, den Verbrauch nicht hätte garantieren können. Rund eine Million Kubikmeter Wasser wären wohl im Jahr benötigt worden. Im Dauerstreit um die Tesla-Gigafactory in Grünheide steht aktuell noch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) aus, bei dem es um die Erhöhung der Wasser-Fördermengen zur Versorgung der E-Auto-Fabrik geht.
André Bähler vom zuständigen Wasserverband Strausberg-Erkner schlägt derweil Alarm. Bähler ist Diplomingenieur für Umwelttechnik und seit 2020 Vorsteher des Zweckverbands und damit zuständig für die Wasserversorgung von 170 000 Menschen im Osten Brandenburgs und somit auch für das neue Tesla-Werk in Grünheide. Zuletzt spekulierte Bähler in einem Brief an das Brandenburger Landesamt für Umwelt von Anfang Dezember darüber, dass das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die wasserrechtliche Bewilligung für eine erhöhte Grundwasserförderung für Teslas E-Auto-Fabrik aufheben könnte und ohne Förderrecht die Trinkwasserversorgung für das Vorhaben im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren der Behörde nicht mehr gesichert sei
Gegenüber dem RBB unkte Bähler, dass das Gericht dem Wasserverband das Förderrecht in Eggersdorf komplett entziehen könnte und fasst die dann entstehende Situation eindrücklich zusammen: »Wenn wir kein Förderrecht haben, können wir kein Grundwasser fördern, haben kein Rohwasser, können das nicht zu Trinkwasser aufbereiten und auch von hier aus nicht ins Netz pumpen.«
Turgut Pencereci, Geschäftsführer des Landeswasserverbandstags Brandenburg, beklagt immer wieder, dass sich »in letzter Zeit vermehrt Nutzungskonflikte zwischen der Trinkwasserversorgung, der Landwirtschaft, der Energieversorgung und der Industrie« zeigten. Ein Sachverhalt, den auch Geologin Irina Engelhardt beobachtet und das Beispiel Straussee anführt, dessen Pegel seit Jahren sinkt - mit Auswirkungen auf Fährbetrieb und die Badestellen.
Mehrere Studien haben mittlerweile festgestellt, dass zwischen Trinkwasserentnahme durch die beiden vom Wasserverband Strausberg-Erkner betriebenen Wasserwerke in der Umgebung und dem Wasserstand des Straussees ein Zusammenhang bestehe. Ein Zusammenhang, der allerdings nicht komplett für das Absinken des Pegels verantwortlich sei.
Die auf Wasserfragen spezialisierte Ingenieurgesellschaft Heiko Sieker aus Hoppegarten vermutet: »Aufgrund der großen Ausdehnung der Problematik liegt es nahe, nach überregionalen Ursachen für die Wasserdefizite zu suchen.« Vor allem im östlichen Umland Berlins tritt das Problem sinkenden Wasserstände tatsächlich in einigen Gewässern auf, so unter anderem im Krummen See in Vogelsdorf, im Fredersdorfer Mühlenfließ und - in geringerem Umfang - im Bötzsee.
In Berlin werden verschiedene Feuchtgebiete und Seen bereits seit langem allein durch hineingepumptes Wasser halbwegs intakt gehalten. »Man könnte im Berliner Schlachtensee nicht baden, wenn wir ihn nicht füllen würden«, erklärt Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben. »Man kann nicht wegdiskutieren, dass wir massiv in den Naturhaushalt eingreifen und uns oft nur an simulierter Natur erfreuen.«
Trotzdem glaubt Natz nicht, dass es in Berlin so kritisch wie im östlichen Umland werden könnte: »Wir haben Glück, dass Berlin in einem Urstromtal gegründet wurde, das geprägt ist von Bodenschichten, die wie ein Schwamm funktionieren. Noch 1989 förderten wir 360 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich - auch das war möglich.« Aktuell fördern die Wasserbetriebe nur noch rund 220 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr - allerdings mit steigender Tendenz. Vor allem in den vergangenen trockenen Sommern stieg der Verbrauch pro Kopf wieder an. Nahe liege, so Natz, dass Trinkwasser für Pools und zum Rasensprengen genutzt wird.
Der Biologe und Wasserexperte des Umweltverbands BUND Berlin, Manfred Krauß, sieht die Berliner Lage nicht so entspannt wie der Wasserbetriebe-Sprecher. Er sorgt sich vor allem um die verbliebenen Berliner Moore, die mittlerweile entweder, wie in Tegel oder Pankow, durch hineingepumptes Wasser künstlich am Leben gehalten werden oder bereits »hinüber« sind - wie Krauß im Spandauer Teufelsbruch feststellt: »Wir beobachten seit vielen Jahren eine Grundwasserabsenkung - in Brandenburg und in Berlin.« Mittlerweile haben die Wasserbetriebe zwar die Wasserentnahme im Bereich von Mooren eingeschränkt, was zu einer Entspannung geführt hat, trotzdem hat Krauß Anfang des Jahres zusammen mit der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz Klage beim Verwaltungsgericht zur Rettung der Berliner Moore eingereicht. Die Entscheidung steht noch aus.
Stephan Natz sieht langfristige Perspektiven für die Wasserversorgung vor allem in Richtung Umbau Berlins zur Schwammstadt mit Gründächern, Versickerungsmulden und einer Reduzierung der Kanaleinleitungen von Regenwasser. Außerdem schließt er nicht aus, dass in den nächsten Jahren stillgelegte Wasserwerke wieder in Betrieb genommen.
Als Lösung für das regionale Wasserproblem hält Manfred Krauß das nicht für ausreichend. Er sieht langfristig nur zwei Lösungen: »Ich denke es bleibt neben Wassersparen nichts anderes übrig, als eine Fernwasserversorgung der Hauptstadtregion, wie sie auch in München, Stuttgart oder Frankfurt bereits üblich ist.«
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