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Macron nutzt die europäische Bühne
Frankreichs Präsident will mit der EU-Ratspräsidentschaft für den eigenen Wahlkampf punkten
Am 1. Januar hat Frankreich turnusgemäß für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft angetreten. Praktisch bedeutet dies, dass die verschiedenen Räte der Fachminister – etwa der Wirtschaftsministerrat, der Umweltministerrat usw. – von dem jeweiligen französischen Minister geleitet werden. Eine koordinierende Rolle zwischen diesen verschiedenen Gremien spielt der Rat für Allgemeine Angelegenheiten, in dem die EU-Außenminister tagen. Doch dessen Vorsitz hat nicht der französische Minister inne, sondern seit 2007 gemäß dem Vertrag von Lissabon der jeweils für fünf Jahre gewählte Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik – gegenwärtig der Spanier Josep Borrell.
Um trotz des regelmäßigen Vorsitzwechsels eine gewisse Kontinuität zu sichern, erstellen jeweils drei Länder, die nacheinander die Ratspräsidentschaft innehaben werden, ein gemeinsames »Achtzehnmonateprogramm«. Zu dieser Trio-Präsidentschaft gehören neben Frankreich Tschechien, das dieses Amt im zweiten Halbjahr übernehmen wird, und Schweden, das Anfang 2023 folgt. Trotz dieser Einbindung hat Frankreich in seiner Präsidentschaftsfunktion einen gewissen Spielraum, indem es die Tagesordnung der Ministerräte beeinflussen kann, etwa durch das Einbringen eigener Ideen, Initiativen und Projektentwürfe oder durch das Unterbreiten von Kompromissvorschlägen, um Kontroversen zu entschärfen und Blockaden zu vermeiden. Doch vor allem steht es dem jeweiligen Präsidentschaftsland frei, neben den Fachministerräten noch Treffen und Konferenzen zu Themen zu organisieren, die es durch eigene Impulse voranbringen will, und dazu Experten aus aller Welt einzuladen.
Emmanuel Macron hat Mitte Dezember auf einer internationalen Pressekonferenz im Elysée dargelegt, was sich Frankreich für die sechs Monate seiner EU-Präsidentschaft vorgenommen hat. Priorität habe für ihn »die Weiterentwicklung der europäischen Gesetzgebung zur numerischen, klimatischen und sozialen Regulierung«, betonte Macron. So arbeite Frankreich an einem Grünen Pakt für Europa mit dem Ziel, die Klimagasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Sehr wichtig sei für ihn auch, auf dem Weg zu Mindestlöhnen in Europa entscheidend voranzukommen. Er kündigte an, dass es hochkarätig besetzte Konferenzen zu Zukunftsthemen des Umweltschutzes, der Gesundheit oder der Justiz in Amiens, Grenoble und Marseille geben wird, also in den Städten der jeweiligen französischen Fachminister, die diese Treffen leiten.
Niemand zweifelt an Macrons erneuter Kandidatur
Anfang März wird die mehrmonatige EU-Zukunftskonferenz in Straßburg Bilanz über die europaweite Befragung von Bürgern zu ihren Wünschen und Erwartungen an den Europaprozess ziehen – und den Regierungen Reformwünsche, bis hin zur Änderung der europäischen Verträge, übergeben. Die Initiative dazu war im März 2019 von Emmanuel Macron ausgegangen. Bereits im Februar gibt es einen Gipfel über digitale Souveränität, wo es vor allem darum geht, wie Europa das hemmungslos profitgierige Agieren der US-Konzerne Google, Amazon, Facebook oder Apple in die Schranken weisen kann. Dazu sind zwei Gesetzgebungswerke in Arbeit, der Digital Services Act (DSA) und der Digital Markets Act (DMA). Außerdem finden im Februar zwei geopolitische Gipfeltreffen zu den Beziehungen der Europäischen Union zu Afrika und zu den Ländern des indopazifischen Raums statt, zu dem Staats- und Regierungschefs aus diesen beiden Regionen eingeladen sind. Ferner wird es ein Gipfeltreffen zur europäischen Verteidigung geben, bei dem es um Grundsatzfragen gehen wird, aber nicht zuletzt auch um Investitionen in gemeinsame Projekte.
Zusammengenommen ist das ein sehr umfangreiches und inhaltlich gewichtiges Programm, das sich trotz aller Anstrengungen sicher nicht komplett wird abarbeiten lassen. Hinzu kommt, dass möglichst viel von den entscheidenden Themen in den ersten drei Monaten erledigt oder zumindest in die Wege geleitet werden muss. Danach wird sich die EU-Präsidentschaft sicherlich mit gebremstem Elan fortsetzen, denn dann steht Frankreich weitgehend im Zeichen des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahl. Die findet am 10. und 24. April statt und es ist nicht daran zu zweifeln, dass Emmanuel Macron für eine zweite Amtszeit kandidieren wird, auch wenn er sich dazu bis heute nicht geäußert hat.
Wegen der Terminüberschneidung haben Oppositionspolitiker Macron vorgeworfen, dass er sich nicht um eine Verlegung der französischen EU-Präsidentschaft bemüht hat, was durchaus möglich gewesen wäre. Sie unterstellen ihm, er wolle das EU-Ehrenamt für seine Zwecke instrumentalisieren. Das ist eine gewagte Behauptung, denn schließlich kann man nie sicher sein, ob eine EU-Präsidentschaft zum Erfolg oder Misserfolg wird. Allerdings wird sich Macron, dem der Europa-Prozess sehr am Herzen liegt, mit ganzer Kraft für Fortschritte auf diesem Weg engagieren. »Wenn die Verhandlungen in der EU bis zur französischen Wahl erfolgreich verlaufen und zu erkennen sein wird, dass Macron daran einen wesentlichen Anteil hatte«, meint Christine Verger, Vizepräsidentin der Jacques-Delors-Stiftung für politische Forschungen, »dann kann das durchaus ein Trumpf zugunsten einer Wiederwahl sein.«
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