Schelle für Shell

Ölkonzern muss Erkundungen vor südafrikanischer Wild Coast nach Klage lokaler Gemeinden einstellen

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.

Anfang Dezember hatte Shell begonnen, mit seismischen Erkundungen vor der südafrikanischen Wild Coast nach Öl- und Gasvorkommen zu suchen. Eine Klage von Umweltschützern, die den Start des Projekts in letzter Minute verhindern wollten, war in erster Instanz abgewiesen worden. Nun aber stoppte das Oberste Gericht der Provinz Ostkap, vor deren Küste das Explorationsgebiet liegt, das Projekt des niederländisch-britischen Konzerns. Die Richter gaben in der vergangenen Woche einer von lokalen Gemeinden beantragten einstweiligen Verfügung statt. Während Lokalbevölkerung und Umweltschützer sich über das Urteil freuen, ist es sowohl für Shell als auch für Südafrikas Regierung eine schallende Ohrfeige. Shell habe keinerlei Beweise vorgebracht, um den Präsentationen der Kläger etwas entgegenzusetzen, begründete Richter Gerald Bloem sein Urteil. Es bestehe demnach »eine ernsthafte Gefahr, dass Meerestiere durch die seismischen Erkundungen irreparabel geschädigt« würden.

Ein halbes Jahr lang soll den Konzernplänen zufolge ein 6000 Quadratkilometer großes Meeresgebiet systematisch abgesucht werden. Von einem Schiff aus wird alle zehn Sekunden eine Schallkanone gezündet, die in etwa die Lautstärke einer Atombombe erreicht. Anhand der Reflexion der Schallwellen, die tief unter den Meeresboden vordringen, lässt sich erkennen, ob dort Öl- oder Gasvorkommen liegen.

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Das Erkundungsgebiet liegt vor einem der ökologisch sensibelsten Küstenabschnitte Südafrikas. Entlang der Wild Coast erstrecken sich drei Meeresschutzgebiete. Buckelwale ziehen dort entlang gen Norden, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Meist im Juli kommen hier zudem gigantische Sardinenschwärme zusammen, die Robben, Delfine, Haie und Brydewale anlocken. Zusammen mit der Gnu-Wanderung in der Serengeti gilt dies als die größte Tierwanderung der Welt.

Da viele der Raubtiere bei ihrer Jagd auf akustische Signale angewiesen sind, drohen sie durch die Schallkanonen gestört zu werden. Noch mehr als durch die seismischen Messungen fürchten Umweltschützer katastrophale Folgen durch eventuelle spätere Ölbohrungen. Die extrem starken Strömungen würden eine Eindämmung von Lecks nahezu unmöglich machen.

Schlechte Informationspolitik von Shell

Das Gericht in Makhanda stützte sein Urteil auch auf die Informationspolitik Shells. Der Konzern hatte über sein Vorhaben lediglich in Zeitungen informiert, die auf Afrikaans und Englisch – den Sprachen der weißen Bevölkerungsgruppen – erscheinen. In den Lokalzeitungen und Radiokanälen der vorrangig IsiXhosa-sprachigen Mehrheitsbevölkerung, die an der ländlich geprägten Wild Coast lebt, gab es dagegen keinerlei Bekanntmachungen. Zudem konsultierte Shell auch die Inhaber traditioneller Fischereirechte in den Küstengewässern nicht. Richter Bloem sprach deshalb von einem »substanziell mangelhaften Beteiligungsverfahren« und erklärte die auf dieser Grundlage erteilte Förderlizenz für »ungesetzmäßig und ungültig«.

Shell hatte dagegen argumentiert, die betroffenen Gemeinden hätten sich mit ihren Einwänden an das Ministerium für Mineralien und Energie wenden sollen. Geleitet wird dieses von Gwede Mantashe, der an der Seite des Konzerns die Klage erwiderte. Auf Twitter hatte der Politiker des regierenden African National Congress den Kampf gegen Shells Ölförderpläne zuletzt gar als »Apartheid und Kolonialismus eines besonderen Typus« beschimpft. Mit der Blockade solcher Vorhaben würden die hohe Arbeitslosigkeit und der Energiemangel in Südafrika noch verschärft. Aus Sicht des Gerichts bezog der Minister damit zu einseitig Position.

Mantashe, einst Chef der Bergbaugewerkschaft NUM und nach Ende der Apartheid der erste Gewerkschaftsführer, der in den Vorstand eines Bergbauunternehmens berufen wurde, steht seit längerem in der Kritik. Er blockiert den Ausbau erneuerbarer Energien und propagiert stattdessen ein Festhalten an Kohlekraftwerken.

Gemeinsam mit Shell wurde der Minister nun zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt. Der Konzern erwartet zudem Verluste von umgerechnet 55 Millionen Euro. Im Hauptverfahren soll demnächst darüber entschieden werden, ob der Konzern eine neue Umweltverträglichkeitsstudie vorlegen muss. Die ursprüngliche Lizenz war 2014 erteilt worden, kurz bevor Südafrika striktere Auflagen zum Umweltschutz und zur Anhörung lokaler Gemeinden erließ.

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