Kommunen fordern zweiten Rettungsschirm

Städte- und Gemeindebund zeichnet düsteres Bild von der pandemiebedingten Lage

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.
Selbst am Starnberger See sind die Kommunen durch Corona zum Sparen gezwungen.
Selbst am Starnberger See sind die Kommunen durch Corona zum Sparen gezwungen.

Es klingt geradezu absurd: Der bayerische Landkreis Starnberg verzeichnet im Vergleich zum Rest des Bundeslandes die höchste Dichte an Millionären. Wie das Landesamt für Statistik in Fürth jüngst mitteilte, kamen im Jahr 2017 in Starnberg 20,4 Millionäre auf 10 000 Einwohner – im Landesdurchschnitt waren es nur 4,4. Doch während die Gesamtzahl der Millionäre in Deutschland trotz oder vielleicht sogar wegen der Corona-Pandemie weiter wächst, steckt die Kreisstadt Starnberg in einer Haushaltskrise: Wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtete, fehlen für das kommende Jahr rund 12,56 Millionen Euro. Also wird gespart, vor allem im Kulturbereich: Die Starnberger Musiktage erhalten für 2022 weniger Geld von der Stadt, ebenso das Fünf-Seen-Filmfestival.

Wie Starnberg geht es vielen weiteren Kommunen in Deutschland – natürlich auch jenen, für die schon vor der Corona-Krise die fetten Jahre längst vorbei waren. »Die Lage der Kommunen ist nicht sehr ermutigend«, sagte Ralph Spiegler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm bei Mainz und seit 2020 Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, am Montag in Berlin. Der SPD-Politiker war mit Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, Verwaltungsjurist und CDU-Mitglied, zu Gast in der ersten Bundespressekonferenz des neuen Jahres, um aus Sicht der Kommunen einen Rückblick auf 2021 sowie einen Ausblick auf 2022 zu liefern. Sie saßen vor fast leerem Saal: Wegen der Corona-Pandemie ist auch die Präsenz von Journalist*innen bei der Bundespressekonferenz derzeit eingeschränkt.

So leer gefegt wie die Reihen im Pressehaus scheinen auch die Kassen der Kommunen zu sein. Ralph Spiegler sprach von »tiefen Löchern«. Die Städte und Gemeinden hätten das vergangene Jahr insgesamt mit einem Defizit von rund neun Milliarden Euro abgeschlossen – eine Zahl, die sich deren Präsident »bis vor wenigen Jahren nicht vorstellen konnte«. Der Städte- und Gemeindebund fordert deshalb vom Bund Unterstützung in Milliardenhöhe. »Die finanziellen Spielräume müssen verbessert werden«, betonte Spiegler. Der Ausbau von Schulen, die Digitalisierung von Rathäusern und Maßnahmen für mehr Klimaschutz seien anderenfalls von den Kommunen nicht zu stemmen.

Gewerbe- und Einkommensteuern brechen weg

Eine wesentliche Ursache für die Finanznot der Kommunen ist das Wegbrechen von Einnahmen bei der Gewerbe- und der Einkommensteuer. Zwar hätten Bund und Länder pandemiebedingte Ausfälle bei der Gewerbesteuer zu einem großen Teil bereits ausgeglichen. Doch gerade in kleineren Städten und auf dem Land seien vor allem die Einnahmen aus der Einkommensteuer bedeutsam, so Spiegler: »Wer gleichwertige Lebensverhältnisse will, muss wissen, dass in vielen ländlichen Regionen die Umlage aus der Einkommenssteuer zwei Drittel der Einnahmen im Haushalt einer Kommune ausmacht.« Werde das nicht kompensiert, breche »die Basis im ländlichen Raum weg«, warnt der Verbandspräsident. Falls die Wirtschaft in diesem Jahr nicht wie erhofft anspringe, sei deshalb ein »zweiter Rettungsschirm« nötig.

Tatsächlich können derzeit wegen der enormen Wandlungsfähigkeit des SARS-CoV-2-Virus nicht einmal Virologen und Epidemiologen genau vorhersagen, wie sich die pandemische und damit auch die wirtschaftliche Lage entwickelt. Fakt ist: Auch in Deutschland beginnt die Omikron-Welle, die aufgrund der hohen Übertragbarkeit der Mutante schon bald massive Personalausfälle in der kritischen Infrastruktur verursachen könnte. Ein mögliches Szenario eröffnet sich beim Blick über den Atlantik: In New York, einem Omikron-Epizentrum, ist derzeit jede sechste städtische Feuerwehrkraft und jeder dritte Rettungssanitäter infiziert.

Umso überraschender, dass Spiegler bekannte, sein Optimismus sei so groß wie selten zuvor – wobei er sich freilich nicht auf die Pandemie als solche bezog, sondern auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es, Kommunen sollten von Altschulden entlastet werden. Ob die Ankündigungen auch umgesetzt werden und man künftig nicht nur in Starnberg wieder kommunal ausfinanziert musizieren und Filme schauen kann, bleibt abzuwarten.

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