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Die FDP versucht es als Bildungspartei

Wie die Liberalen im Jahr 2024 endlich wieder in den Landtag einziehen wollen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 7 Min.

Mit 27 Jahren ist Zyon Braun seit Dezember FDP-Landesvorsitzender in Brandenburg. Aktuell hat die FDP nirgendwo einen jüngeren Parteichef. »Dass ich der Jüngste bin, ist nicht neu für mich«, sagt Zyon Braun zu »nd«. Das sei schon so gewesen, als er bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse eine Ausbildung zum Bankkaufmann machte. Unter 35 Auszubildenden sei er der einzige gewesen, der kein Abitur hatte, sondern bereits nach der 10. Klasse von der Schule abgegangen war.

Jetzt absolviert Braun ein berufsbegleitendes Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre. Er ist fast fertig damit, muss nur noch seine Bachelorarbeit verfassen. Aber so einfach ist das auch wieder nicht in der knapp bemessenen Freizeit. Knapp bemessen wegen des politischen Engagements. Braun war bis Dezember Schatzmeister im Landesverband der FDP. Diese ehrenamtliche Tätigkeit erforderte bereits zehn Stunden pro Woche, rechnet der 27-Jährige vor. »Den Zeitaufwand als Landesvorsitzender schätze ich eher noch höher ein, wenn man es richtig machen will - und ich will es richtig machen.«

In seine Chefposition ist er Schritt für Schritt gekommen. »Wenn sie sich wie ich für Wirtschaft und Finanzen interessieren, ist die FDP nicht weit weg«, erzählt Braun, wie er einst zur Partei gestoßen ist. »Auch das Thema Freiheit hat mich angesprochen.« Eingetreten ist der junge Mann am 16. Januar 2014, kurz nachdem die FDP erstmals in ihrer Geschichte aus dem Bundestag herausflog. »Das war eine düstere Zeit, da herrschte Ernüchterung«, erinnert sich Braun. Damals dachten sich auch andere liberal Gesinnte, das dürfe es jetzt nicht gewesen sein. Sie wollten mithelfen beim Comeback der Partei. Ein großes Neumitgliedertreffen mit dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner in Berlin überzeugte Zyon Braun, in der FDP richtig zu sein und mehr zu tun, als nur den Parteibeitrag zu entrichten.

Bei den Jungen Liberalen in Brandenburg rückte Braun schnell auf. »Die haben mitbekommen, dass ich Bankkaufmann bin. Da wollten die mich gleich zum Schatzmeister machen«, erzählt er. »Ich kann rechnen, das wird schon gehen, habe ich mir gesagt.« 2017 wurde Braun als Beisitzer in den FDP-Landesvorstand gewählt, 2019 auch dort zum Schatzmeister. Nun ist er seit dem jüngsten Parteitag im Dezember also Landesvorsitzender.

»Bis vor wenigen Tagen lag noch der halbe Parteitag hinten bei mir im Auto«, schmunzelt Braun. Erst dann kam er dazu, die Dokumente und Wahlurnen auszuladen. Die Landesgeschäftsstelle zählt zwar zwei Mitarbeiter. »Aber die haben auch nur zwei Hände«, sagt Braun. Er folgte auf die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg, die nicht erneut als Landesvorsitzende kandidierte.

Zyon Braun hat ein ehrgeiziges Ziel anvisiert. Im Jahr 2024 soll es die FDP endlich wieder in den Landtag schaffen. Von 2009 bis 2014 hatte es dort zuletzt eine FDP-Fraktion gegeben und sonst nur von 1990 bis 1994. Während der Landesverband bei allen Bundestagswahlen, außer der im Jahr 2013, immer wenigstens einen Vertreter ins Parlament entsenden konnte, sah es bei Landtagswahlen meistens mau aus.

Im Moment scheinen die Ausgangsbedingungen aber besser zu sein als je zuvor in den zurückliegenden 30 Jahren. 9,3 Prozent erzielte die FDP bei der Bundestagswahl 2021 in Brandenburg, es war ihr zweitbestes Ergebnis seit 1990. Sie lag damit sogar noch vor der Linken, die enttäuschende 8,5 Prozent erhielt, und vor den Grünen, die mit 9,0 Prozent ebenfalls hinter den eigenen Erwartungen zurückblieben.

Das jetzige Zwischenhoch ist aber keine Garantie dafür, bei der Landtagswahl 2024 die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Zumal wohl kaum ein Bürger auf der Straße ein oder zwei Themen nennen könnte, für die Brandenburgs FDP landespolitisch stehe, wie Zyon Braun ganz richtig vermutet. Er möchte das ändern, den Landesverband sichtbar und erkennbar machen. Die FDP soll zwar keine Ein-Thema-Partei werden. Braun will durchaus die programmatische Breite der Liberalen bedienen. Trotzdem müsse es, um als außerparlamentarische Kraft überhaupt erst einmal wahrgenommen zu werden, die Konzentration auf zwei wichtige Themen geben. Braun meint, das könnten Bildung und Wirtschaft sein, wobei Chancengerechtigkeit durch Bildung an erster Stelle stehen sollte. Für den Erfolg 2024 braucht es nach seiner Überzeugung erst einmal eine Phase der Selbstbesinnung, bevor der Landesverband mit seinen Überzeugungen nach draußen geht. »Wir müssen uns selber wieder in eine positive Stimmung bringen.« Mit hängenden Schultern und den Mundwinkeln nach unten verzogen könnte man am Infostand niemanden überzeugen. Darum setzt Braun auf eine optimistische Grundhaltung. »Wir sprechen nicht darüber, ob wir die Fünf-Prozent-Hürde meistern oder nicht. Wir schaffen das!«

Diese Rezepte erinnern sehr an die Strategie des Bundesvorsitzenden Christian Lindner. So hat Lindner die FDP aus der sogenannten Schattenzeit herausgeholt, in der die Partei nicht im Bundestag vertreten war. Zu Lindners Konzept gehörte, dem Liberalismus ein freundlicheres Gesicht zu geben. Bis dahin galt die FDP als Partei der Besserverdienenden, als Interessenvertreter eiskalter Unternehmer. Die Tradition der sozialliberalen Koalitionen von 1969 bis 1982 war in Vergessenheit geraten. Lindner polierte das Image auf. So schilderte er 2017 in seinem Buch »Schattenjahre - Die Rückkehr des politischen Liberalismus«, wie er als Jugendlicher mit Freunden von den Jusos begeistert Arbeiterlieder sang. Er zeichnete das Selbstporträt eines links fühlenden Menschen.

Am Ende ändert diese persönliche Note aber nichts. Die neue FDP sei inhaltlich doch die alte, denkt der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner, der 2015 aus der FDP in Die Linke übertrat. Als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2014 probierte Büttner eine aufsehenerregende Kampagne aus. Auf 120 Großplakaten stand geschrieben: »Keine Sau braucht die FDP!« So lautete auch die Ansage auf dem Anrufbeantworter der Landesgeschäftsstelle.

Christian Lindner widmet diesem verzweifelten Versuch, sich Gehör zu verschaffen, einige Seiten in seinem Buch. Er ärgerte sich über die unabgestimmte Aktion, weil er ins ZDF-Morgenmagazin eingeladen war, um über die Steuermehrbelastung durch Preissteigerungen - die kalte Progression - zu reden. Dann aber drehte sich das Gespräch im Fernsehen fast nur um die Brandenburger Plakate. Später wurden diese Plakate mit Sprüchen überklebt: Jeder Arbeitslose brauche die FDP, damit Jobs entstünden, jede Lesbe, damit in der Gesellschaft Toleranz herrsche. »Das aber interessierte niemanden mehr«, schreibt Lindner. Die FDP habe mit der Aktion zwar jede Menge Aufmerksamkeit erhalten, aber nur 1,8 Prozent der Stimmen. Es sei eines der schlechtesten Landtagswahlergebnisse in der Geschichte der Partei gewesen. »Der Spitzenkandidat verließ übrigens später die FDP. Er wechselte zur Linkspartei«, notiert Lindner. Den Namen - Andreas Büttner - nennt er nicht.

Büttner meint heute, der Wiedereinzug der FDP in den Landtag im Jahr 2024 sei keineswegs eine ausgemachte Sache. »Landtagswahlen sind noch einmal etwas ganz anderes, als wenn Christian Lindner auf dem Wahlzettel steht«, schätzt er ein. Und mit Bildung als Thema gewinne man in Brandenburg sowieso keine Wahlen. Seit 1994 hat die die SPD das Bildungsressort inne. Fast genauso lange werde von allen über das Bildungswesen gemeckert. Aber die SPD siege trotzdem immer wieder.

Einst als FDP-Abgeordneter lag Büttner die Bildung am Herzen. Bei einem Landesparteitag beantragte er mal einen Schulcampus als Alternative zu Schulschließungen auf dem Lande. Eigentlich schlug Büttner damit Gemeinschaftsschulen vor, aber so durfte das bei der FDP nicht heißen, erinnert er sich. Sein Antrag sei heiß diskutiert und sogar beschlossen worden. Die Linksfraktion registrierte seinerzeit die Gefahr, von einem FDP-Politiker in Bildungsfragen links überholt zu werden. Das wäre für die Sozialisten peinlich geworden.

Von dem liberalen Gerede über Chancengerechtigkeit hält Büttner wenig. Die Vorstellung dahinter sei: Wenn jeder die gleichen Startchancen habe, stehe allen im Leben alles offen. »Aber das heißt doch nur: Alle sind in einem Aufzug, den Knopf muss jeder selbst drücken«, sagt Büttner. »Doch einer ist klein und reicht nicht an den Knopf heran. Der braucht einen Hocker.«

2009 schaffte die FDP nach Überzeugung von Büttner nur deshalb den Sprung in den Landtag, weil zeitgleich die Bundestagswahl stattfand, bei der die FDP mit bundesweit 14,6 Prozent ein Rekordergebnis erzielte. In Brandenburg bekam die FDP damals bei der Bundestagswahl 9,3 Prozent und bei der Landtagswahl 7,2 Prozent. Das zeigt den Abstand, wenn es um die Landespolitik geht.

Wäre am Sonntag Landtagswahl, so ergab das vor zwei Wochen veröffentlichte Ergebnis einer Forsa-Umfrage, dann würden sechs Prozent der Brandenburger die FDP ankreuzen - und elf Prozent Die Linke.

Zyon Braun wuchs übrigens in Templin auf, der Wahlheimat von Andreas Büttner. Persönlich begegnet sind sie sich dort nicht. Auch in der FDP haben sie sich verpasst.

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