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Impfpflicht für über 50-Jährige in Italien
Die Regierung von Mario Draghi erlässt neue Restriktionen und droht Impfverweigerern mit Strafen
Wieder einmal brauchte es eine turbulente Sitzung des Ministerrats, bevor die Regierung Draghi das Dekret über die neuen Corona-Maßnahmen beschließen konnte. Italien ist gegenwärtig - wie andere europäische Staaten auch - von der fünften Coronawelle betroffen. Bei den Neuinfektionen dominiert die Omikron-Variante des Virus. Rom sieht Handlungsbedarf, soll nicht ein weiterer Lockdown die ohnehin schon schwer belastete Wirtschaft des Landes noch mehr in die Bredouille bringen. Zuletzt gab es fast 190 000 Neuinfektionen an einem Tag, das ist der höchste Wert seit Beginn der Covid-19-Pandemie, 231 Menschen starben an oder im Zusammenhang mit einer Coronainfektion.
Als vordringlichste Maßnahme ist nun angeordnet, alle Bürger, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, einer Impfpflicht zu unterziehen. Darüber hinaus müssen alle Arbeiter und Angestellten beim Betreten des Arbeitsplatzes den sogenannten Super-Green-Pass vorlegen, ein Zertifikat, das nicht nur den vollständigen Impfschutz nachweist, sondern auch aktuelle Negativtests.
Die dritte kurzfristige Anpassung der Maßnahmen wurde nicht ohne Streit in der Ministerriege angenommen. Vor allem die Vertreter der rechtsextremen Lega im Kabinett stellten sich gegen die vom Ministerpräsidenten geforderten strengen Regeln. Mario Draghi hatte zunächst eine Impfpflicht bereits ab einem Alter von 40 Jahren gefordert. Doch die Auseinandersetzungen verschärften sich derart, dass die Lega sogar drohte, die Regierungsbeteiligung aufzukündigen. Erst nach langwierigen Diskussionen lenkten die Politiker der Partei offenbar ein - weder eine Pressekonferenz noch offizielle Mitteilungen an die Medien gaben von der Beilegung des Konfliktes Notiz.
Im Anschluss an die Ministersitzung, die sich bis in die späten Mittwochabendstunden hinzog, äußerte sich lediglich der Minister für öffentliche Verwaltung, Renato Brunetta (Forza Italia), positiv zum Ausgang der Debatte: »Mit der jetzt beschlossenen Impfpflicht für Bürger über 50 sind wir das erste Land in der EU, das solche Maßnahmen ergreift.« Bildungsminister Patrizio Bianchi begrüßte die Kontakt- und Quarantäneauflagen für seinen Sektor, mit denen garantiert sei, dass die Schulen zugänglich für den Präsenzunterricht blieben.
Allerdings stoßen genau die von Bianchi erwähnten Regeln auf vielfache Kritik. Denn in den Bildungseinrichtungen stiften sie Verwirrung: In den Grundschulen wird eine gesamte Klasse in Quarantäne geschickt, wenn zwei Fälle von Corona-Infektionen festgestellt werden. In den Mittel- und Oberstufen hingegen bleibt der Präsenzunterricht erhalten. Hier wird eine generelle Quarantäne für die Klassen erst ab vier Fällen ausgesprochen. Unterhalb dieser Grenze müssen nur die ungeimpften und solche Schüler zu Hause bleiben, deren letzte Impfung länger als vier Monate zurückliegt.
Generell ist für den Präsenzunterricht sowohl für Schüler als auch für Lehrende das Tragen einer FFP2-Maske Pflicht. Dies gilt ebenfalls an Hochschulen und Universitäten, wobei in diesen höherbildenden Einrichtungen noch verstärkt für einen vollständigen Impfschutz einschließlich des Boosterns geworben wird.
Die jetzt angekündigte Impfpflicht soll spätestens ab dem 15. Februar in Kraft treten. Bis dahin will das italienische Gesundheitswesen die mit dem Dekret verbundene Logistik geregelt haben. Ab diesem Zeitpunkt drohen Menschen, die der auferlegten Pflicht nicht nachkommen, Geldbußen zwischen 600 und 1500 Euro. Einer solchen Sanktion unterliegt auch, wer ohne Vorlegen des gültigen Super-Green-Passes seinen Arbeitsplatz betritt.
Es ist absehbar, dass bei einer weiteren Zunahme der Neuinfektionen mit noch schärferen Maßnahmen, Bewegungs- und Kontakteinschränkungen zu rechnen ist.
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