- Wirtschaft und Umwelt
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Erdgas ja, Atomkraft nein
Der Taxonomie-Entwurf der EU-Kommission stürzt den grünen Teil der Ampel-Koalition in ziemliche Verlegenheit
Für die neue Bundesregierung ist es ein vergiftetes Neujahrsgeschenk, das die EU-Kommission in der Silvesternacht verschickte: den Entwurf für Details der geplanten Taxonomie-Verordnung für grüne Investitionen. Bereits zuvor war definiert worden, dass im Energiebereich Gelder für den Ausbau der Erneuerbaren als nachhaltig durchgehen. Die Silvesterpost betraf umstrittenere Energiequellen: Können auch Investitionen in Atomkraft und Erdgas als nachhaltig verbucht werden und, wenn ja, unter welchen Bedingungen? Es geht um milliardenschwere Fördergelder, mit denen die EU ihre CO2-Emissionen im Rahmen des Pakets »Fit for 55« bis 2030 um 55 Prozent reduzieren will. Spätestens 2050 will der Staatenbund klimaneutral sein.
Die Taxonomie regelt dabei vor allem private Investitionen, aber nicht nur. So hat die staatliche deutsche Förderbank KfW bereits Finanzkonstrukte aufgelegt, die die Maßgaben der EU-Taxonomie aufgreifen. Auch Stadtwerke und andere öffentliche Einrichtungen investieren in eine nachhaltige Energieversorgung. Angesichts dieser Weichenstellung hat es der Entwurf der EU-Kommission in sich. So sollen Gelder für neue Atomkraftwerke, die bis 2045 genehmigt werden, als grüne Investitionen gelten. Für neue Erdgas-Infrastruktur soll dies zunächst bis 2030 gelten. Hier sollen ab 2026 mindestens 30 Prozent und ab 2030 mindestens 55 Prozent erneuerbare oder »CO2-arme« Gase eingesetzt werden.
Umweltschützer und Grüne kritisieren den Entwurf scharf. Er zerstöre die Glaubwürdigkeit des europäischen Nachhaltigkeitssiegels für Finanzinvestitionen, warnte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. »Atomkraft und Gas in die EU-Taxonomie aufzunehmen, ist, wie ein Ei aus Käfighaltung als bio zu stempeln«, sagte er. Es sei absurd, Kernkraft und fossiles Gas auf eine Stufe mit Sonnen- und Windenergie zu stellen.
Bloss’ grüne Parteikollegen in Berlin stürzte der Taxonomie-Entwurf, obgleich er nicht überraschend kam und von ihnen vermutlich auch noch mitverhandelt worden war, in ziemliche Verlegenheit. Zwar kritisierte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), der Vorschlag der Kommission sei »ein Etikettenschwindel«. Die Ablehnung klang aber nur in Bezug auf die Atomkraft glaubwürdig, wo die rot-grün-gelbe Koalition bisher am Ausstiegsplan festhält. Anders beim Erdgas: Hier hat das eigentliche Versagen der Ampel-Regierung schon im Koalitionsvertrag stattgefunden. Dort wird Erdgas nämlich als »Übergangstechnologie« praktisch schon grün gelabelt.
Eine Studie der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (Dena) hatte im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen nahegelegt, dass für eine stabile Versorgung bis 2030 viele Erdgaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 15 000 Megawatt neu gebaut werden müssten. Zwar weist die Dena darauf hin, dass diese irgendwann mit Wasserstoff laufen sollen. Wann aber ausreichende Mengen nachhaltiger Wasserstoff verfügbar sein können, steht in den Sternen.
Nachdem die ambivalente Haltung der Ampel - Atomkraft nein, Erdgas ja - schon im Koalitionsvertrag festgezurrt war: Wie glaubwürdig wäre eine Bundesregierung, die in Brüssel erklärte, was zu Hause für Erdgas gilt, solle auf EU-Ebene nicht gelten?
Die Deutsche Umwelthilfe vermutet sogar, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Brüssel explizit für die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie eingesetzt und dafür im Gegenzug den französischen Wunsch nach Aufnahme der Atomkraft unterstützt hat. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit breche der SPD-Politiker sein vielfach plakatiertes Wahlversprechen, als »Klimakanzler« anzutreten, kritisiert die Umwelthilfe.
Scholz und sein Kanzleramt zogen es bisher vor, zum Taxonomie-Vorschlag zu schweigen. Was sollen sie auch sagen? Die SPD hat mit der Zustimmung zum Erdgas kein Problem. So bleibt es den Grünen überlassen, zumindest für ihre öffentliche Reputation etwas zu tun. Weil die notwendige »qualifizierte« Mehrheit - mindestens 20 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU vertreten - zur Änderung des Entwurfs nicht in Sicht ist, wollen sie jetzt versuchen, diesen über eine Mehrheit im Europaparlament aufzuhalten. Aber auch die ist nicht sehr wahrscheinlich.
Deutlich glaubwürdiger kann Österreich gegen die Taxonomie agieren. Die EU-Kommission habe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Schritt in Richtung Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas gemacht, sagte die Wiener Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Auch der größere Koalitionspartner, die konservative ÖVP, kritisiert die EU-Pläne. Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ sind ebenfalls dagegen.
Gewessler drohte mit einer Klage und sprach aus, was für Österreich klar sei: »Weder Atomkraft noch das Verbrennen von fossilem Erdgas haben in der Taxonomie etwas verloren.« Von der deutschen Ampel ist so eine Aussage nicht zu erwarten.
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