Maske wechsel dich

Senat beschließt schärfere Corona-Regeln - FFP2-Mundschutz wieder Pflicht in Bahnen und Bussen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Tragen von FFP2-Masken wird in Bahnen und Bussen ab Samstag wieder Pflicht. Das hat der Senat auf seiner wöchentlichen Sitzung am Dienstag beschlossen. »Untersuchungen zeigen, dass diese einen besseren Schutz auch in beengteren Situationen bieten«, begründet die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Anschluss bei der Pressekonferenz diesen Schritt. »Eine volle U-Bahn, eine volle S-Bahn, eine volle Straßenbahn sind beengte Situationen, und da können wir es uns nicht leisten, dass wir hier den vollen Schutz nicht nutzen«, so Giffey weiter.

Da dieser Schritt laut der Regierenden Bürgermeisterin »auch eine soziale Frage« sei und auch »eine Kostenfrage für diejenigen, die wir verpflichten zum Tragen von FFP2-Masken«, habe die Sozialverwaltung unter Senatorin Katja Kipping (Linke) bereits 1,4 Millionen entsprechende Masken beschafft. Ab kommender Woche sollen diese in Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften sowie über die Bezirke verteilt werden.

Bereits am Montag habe Giffey mit dem Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) zu der FFP2-Maskenpflicht im Nahverkehr telefoniert. Auch von seiner Seite gebe es »ein großes Interesse, dass der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg einheitlich vorgeht«, berichtet sie. Im Nachbarbundesland soll die Regel am Montag in Kraft treten.

Bei allen Corona-Maßnahmen sei ein »sehr enger Gleichschritt« zwischen der Hauptstadt und der Mark vereinbart, erklärt Giffey. In Berlin wird ab Samstag nicht nur in der Gastronomie, sondern bei allen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als zehn Personen die 2G-plus-Regel verbindlich gelten. Wer nicht bereits die dritte, sogenannte Boosterimpfung erhalten hat, muss also einen aktuellen Negativtest vorlegen, um Einlass zu erhalten.

Franziska Giffey meldet für Dienstag, dass 43,9 Prozent der Berlinerinnen und Berliner bereits geboostert sind, täglich kommen 0,6 bis ein Prozent hinzu. 75,8 Prozent der Menschen sind mindestens einmal geimpft. Die Regierende hofft, dass bis Monatsende das Ziel von 80 Prozent Erstimpfungen erreicht ist. An fehlenden Möglichkeiten sollte das eigentlich nicht scheitern. »Es ist jederzeit kurzfristig möglich, einen Termin zu buchen«, sagt Giffey mit Blick auf die durchschnittlich nur zu 50 Prozent ausgelasteten Impfzentren. Um das sogenannte aufsuchende Impfen zu forcieren, um also schwerer erreichbare Gruppen zur Immunisierung zu verhelfen, soll es diesen Mittwoch eine Videokonferenz mit Integrationssenatorin Kipping sowie der Integrationsbeauftragten Katarina Niewiedzial geben, kündigt die Regierende an.

Man sehe an der geringen Auslastung der Impfzentren, »dass es nicht so einfach ist, alle Menschen zu erreichen und die Menschen zum Impfen zu bewegen«, sagt Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Es sei »sehr aufwendig, mit einem Rollator von Pankow ins ICC zu fahren«, räumt sie ein und kündigt an: »Darauf werden wir reagieren.«

Inzwischen geschehen zwei Drittel aller Corona-Infektionen in der Hauptstadt mit der hochansteckenden Omikron-Variante, berichtet die Gesundheitssenatorin. Berlin ist bundesweit einer der Hotspots der bereits fünften Welle der Corona-Pandemie, die sich fast nahtlos an die abebbende vierte Welle anschließt. Nach Bremen hat Berlin laut Daten des Robert Koch-Instituts am Dienstag mit rund 737 Infektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen die zweithöchste Inzidenz aller Bundesländer. Fünf Bezirke der Hauptstadt rangieren unter den Top Ten im Landkreisvergleich, an erster Stelle Neukölln mit einer Inzidenz von rund 1114, gefolgt von Friedrichshain-Kreuzberg mit fast 917. Werte um die 800 verzeichnen Mitte, Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf. »Wir bewegen uns in einem Trend, den wir bundesweit sehen«, sagt Gote.

Die sprunghaft auf den Wert von 10,6 gestiegene Hospitalisierungsinzidenz hat allerdings andere Gründe. »Wir sind dazu übergegangen, die Daten direkt abzugreifen von den Krankenhäusern«, berichtet die Gesundheitssenatorin. Durch die nun gegebene Tagesaktualität bilde das die Lage in den Krankenhäusern sehr viel realistischer ab. Man sehe aber auch eine steigende Belegung in den Krankenhäusern, so Gote, »nicht nur auf den Intensivstationen, vielmehr auch auf Normalstationen«.

Es seien in den letzten Tagen »zunehmende Anstrengungen unternommen worden, um die kritische Infrastruktur zusätzlich zu Impfen«, sagt Franziska Giffey. Sie meint natürlich die Beschäftigten. Doch die Sorge um die Funktionsfähigkeit der Daseinsvorsorge bleibt. In Bremen, wo Omikron ein paar Tage früher als in Berlin dominant wurde, war laut nd-Informationen der Zusteller DHL mit einem Krankenstand von über 50 Prozent konfrontiert. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erklären auf nd-Anfrage, dass der Krankenstand sich derzeit »im jahreszeitlich üblichen Rahmen« bewege, die Impfquote liege knapp über 80 Prozent, die Inzidenzen bisher stets unter dem Durchschnitt. »Konzepte, das Angebot koordiniert und ausgewogen um bestimmte Prozente anzupassen, liegen grundsätzlich vor«, so die BVG.

Laut einer Modellierung der Technischen Universität Berlin für die Stadt Köln werden dort für März Spitzeninzidenzen von über 2600 prognostiziert, auf Basis aktueller Werte von um die 400. In Berlin dürfte so ein Peak also früher erreicht werden. Die Prognose gilt aber nur für den Fall, dass keine Maßnahmen ergriffen werden und sich das Verhalten der Bevölkerung nicht ändert. Die Mobilitätsforscher um Professor Kai Nagel haben jedoch in ihrem Report von Mitte Dezember 2021 auch den Effekt einer Reihe von Einschränkungen auf die Infektionsrate errechnet. »Keine Treffen in privaten Räumen und keine ›öffentliche Freizeit‹ für alle« würde demnach innerhalb eines Monats die Inzidenzen um rund ein Viertel niedriger ausfallen lassen. Schnelltests vor 60 Prozent der Freizeitaktivitäten für alle sollten demnach zu einer Senkung um 20 Prozent führen. Schnelltests für alle vor Arbeitsbeginn hätten zehn Prozent weniger Infektionen zur Folge. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung spielen Infektionen im Einzelhandel und in Nahverkehrsmitteln praktisch keine Rolle.

Wie bisher schon so oft in der Pandemie scheint die Bevölkerung ihre Kontakte und Bewegungen bereits einzuschränken, bevor entsprechende Maßnahmen der Regierung greifen. Diesen Eindruck konnte man heute in der Berliner Innenstadt gewinnen. Denn an morgendlichen Stauschwerpunkten wie rund um das Ostkreuz oder am Schlesischen Tor lief es glatt. So mancher verpasste den Bus, weil er nicht mit der gewohnten Verspätung fuhr. Aus den öffentlich verfügbaren Mobilitätsprofilen auf Basis anonymisiert ausgewerteter Handydaten ist diese Beobachtung noch nicht in dem Ausmaß erkennbar, denn sie reichen bisher nur bis zum letzten Wochenende. Allenfalls ein leichtes Absinken der Bewegung ist dort festzustellen.

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