- Politik
- Personalie: Genozidverharmloser
Freiberger Rechtsausleger
Der Stadtrat will Vize-Oberbürgermeister Holger Reuter wegen eines dubiosen Vergleichs von Ungeimpften mit Ermordeten abwählen
Holger Reuter hatte einen Umweg gewählt, aber die perfide Absicht war nicht zu verkennen. Als der Vize-Oberbürgermeister im sächsischen Freiberg gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« seine Kritik an der Coronapolitik artikulierte, griff er nicht zu dem in der rechten Szene beliebten Vergleich mit dem Holocaust. Stattdessen stellte er das angebliche »Kesseltreiben gegen Ungeimpfte« auf eine Stufe mit dem Völkermord an den Armeniern 1915/1916 im Osmanischen Reich: Umgeimpfte müssten sich fühlen wie »die Armenier damals in der Türkei, wo dann zum Teil eine Ausrottung stattfand«.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Die Äußerung sorgte für Empörung. Das Bündnis »Freiberg Grenzenlos« attestierte dem CDU-Mann »abstoßende Taktlosigkeit und Geschichtsvergessenheit«. Viele Stadträte sehen das ebenso. Heute stimmt das Gremium über eine vorzeitige Abwahl des bis 2023 gewählten und für Stadtentwicklung und Bau zuständigen Politikers ab. Die entscheidende 18. Stimme für den Antrag kam von Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos), der eine »rote Linie« überschritten sah und Reuters Rücktritt oder eine öffentliche Klarstellung verlangt hatte.
Reuter gilt seit langem als Rechtsausleger in der CDU. Nach der Bundestagswahl 2017 gehörte er zu den Mitautoren der »Freiberger Thesen«, die eine rigide Zuwanderungspolitik und den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel forderten. Kurz darauf zeigte er sich offen für Koalitionen von CDU und AfD: Das sei eine »mögliche Option«. Zuletzt nahm er – als »Privatperson« – mehrfach an Protestmärschen gegen die Coronapolitik teil, die gegen geltende sächsische Regeln verstoßen und zunehmend von Rechtsextremen gesteuert werden.
Den CDU-Kreisvorsitz musste Reuter nach dem jüngsten Eklat abgeben. Die Hürde für den Amtsverlust liegt indes hoch. Nötig ist eine Zweidrittelmehrheit im Rat bei zwei Abstimmungen binnen vier Wochen.
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