• Politik
  • Al-Khatib-Prozess in Koblenz

Lebenslange Haftstrafe für syrischen Folterer

Gefängnisleiter Anwar R. vom OLG Koblenz wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen verurteilt

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 2 Min.

Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) einen früheren Geheimdienstmitarbeiter am Donnerstag zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter sprachen den 58-jährigen Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes, Folter und weiterer Delikte schuldig. Der Beschuldigte soll laut Anklage das berüchtigte Al-Khatib-Gefängnis in der syrischen Hauptstadt Damaskus geleitet haben.

»Das ist wirklich historisch«, kommentierte der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Donnerstag in Genf. Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, erklärte in Berlin, das Urteil sei ein »historisches Signal im weltweiten Kampf gegen die Straflosigkeit«. Weitere Prozesse in Deutschland und anderen Staaten müssten nun folgen.

Dem European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zufolge hat der Koblenzer Staatsfolter-Prozess gezeigt, was die internationale Strafjustiz nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip »bei allen Defiziten« leisten könne. Das Urteil schaffe eine »solide Basis« für andere Strafverfolger.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft, die in dem Prozess die Anklage führte, hatte der Angeklagte früher im Al-Khatib-Gefängnis als militärischer Befehlshaber gewirkt. Unter seinem Kommando waren demnach zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4000 Häftlinge mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden, um Geständnisse zu erzwingen und Informationen zu erlangen. Viele Gefangene starben durch die Misshandlungen.

In der Urteilsbegründung zollte der Vorsitzende Richter den überlebenden Opfern Anerkennung; knapp 80 hatten in dem rund zweijährigen Verfahren als Zeugen ausgesagt - trotz teilweise großer Furcht vor dem syrischen Regime und Sorge um ihre Familien. »Dafür gilt ihnen mein ganzer Respekt.«

Das Urteil in dem weltweit beachteten Prozess entsprach dabei weitgehend der Forderung der Anklage. Die Verteidigung von R. hatte Freispruch gefordert, da er nicht verantwortlich gewesen sei für Folterungen in Al-Khatib. Laut Bundesanwaltschaft habe R. als militärischer Befehlshaber die Vernehmungsbeamten und Gefängniswärter zum Dienst eingeteilt und ihre Arbeitsabläufe bestimmt. Er habe auch über das Ausmaß der Folter Bescheid gewusst.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!