Mehr Schutz für die schwächsten Verkehrsteilnehmer

die neue stvo: was sie jetzt wissen und beachten müssen

Rund eineinhalb Jahre hatte es gedauert, bis der zuvor wegen eines Formfehlers zurückgezogene Bußgeldkatalog in einer modifizierten Version endlich verabschiedet und schließlich vom Bundesrat beschlossen wurde. Die Erste Verordnung zur Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV-Novelle) trat letztendlich mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 9. November 2021 endgültig in Kraft.

Die neue StVO soll zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr - insbesondere für den Rad- und Fußgängerverkehr - beitragen, weshalb erhebliche Änderungen der Buß- und Verwarngelder beschlossen wurden. In einigen Bereichen drohen bei Vergehen zwar teils deutlich höhere Bußgelder, die ursprünglich beschlossenen Fahrverbote, die ab April 2022 gelten sollten, kommen hingegen nicht. Wie sehen die wichtigsten Änderungen aus, welche neuen Verkehrszeichen gibt es?

Zu schnell fahren deutlich teurer

Der erneuerte Bußgeldkatalog sieht härtere Strafen bei Regelverstößen im Bereich der Geschwindigkeitsübertretung vor. Eine Überschreitung der Geschwindigkeit innerorts um beispielsweise 16 bis 20 km/h kostet 70 statt wie bisher 35 Euro. Außerorts schlagen 16 bis 20 km/h für zu schnelles Fahren mit 60 statt 30 Euro zu Buche.

Wer innerorts 31 bis 40 km/h zu schnell unterwegs ist, dem droht nach wie vor ein Fahrverbot von einem Monat. Das Bußgeld erhöht sich allerdings um 100 Euro von 160 auf 260 Euro. Die höchste Strafe droht bei einer Geschwindigkeitsübertretung innerorts um über 70 km/h. Drei Monate Fahrverbot, zwei Punkte in Flensburg und 800 Euro Strafe statt wie bisher 680 Euro warten auf die Verkehrssünder. Außerorts werden hierfür statt wie bisher 600 Euro nun 700 Euro fällig, und auch hier gibt es zwei Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot.

Auch falsches Parken wird teuer

Im Vordergrund der Änderungen steht vor allem die Stärkung schwächerer Verkehrsteilnehmer und die Durchsetzung höherer Strafen auch für Parkvergehen. Vor allem das unerlaubte Parken auf Geh- und Radwegen und das ab sofort unerlaubte Halten auf Schutzstreifen sowie das Parken und Halten in zweiter Reihe wird in Zukunft deutlich teurer. Dafür werden Geldbußen bis zu 110 Euro fällig. Bei schweren Verstößen droht zusätzlich ein Punkt im Flensburger Fahreignungsregister.

Das unberechtigte Parken auf Schwerbehinderten-Parkplätzen kostet nun 55 statt wie bisher 35 Euro, und auch das Parken an unübersichtlichen Stellen - zum Beispiel in scharfen Kurven - kostet nun 35 Euro statt wie bisher 15 Euro.

Vorteile für Carsharing und E-Mobile

Neu ist außerdem eine Geldbuße von 55 Euro für unberechtigtes Parken auf einem Parkplatz für Elektro- und Carsharing-Fahrzeuge. Hier helfen auch drei neue Symbole, die schon bald auf Schildern zu finden sein werden. Eines davon ermöglicht es Gemeinden und Städten, Carsharing-Fahrzeuge beim Parken zu bevorzugen und entsprechende Abstellflächen eindeutig und rechtssicher zu kennzeichnen.

Ein weiteres Symbol erleichtert die eindeutige Markierung von Parkplätzen für Elektrofahrzeuge. Das dritte Symbol, das stilisiert drei Personen in einem Fahrzeug von vorne zeigt und das bei der versuchsweisen Freigabe einer Busspur für Fahrgemeinschaften ein dementsprechend besetztes Fahrzeug meint.

Bitte 1,5 Meter Abstand halten!

Um schwächere Verkehrsteilnehmer besser zu schützen, müssen Autofahrer beim Überholen von Radfahrern, Fußgängern und E-Scootern künftig einen Mindestabstand von 1,5 Metern innerorts sowie zwei Metern außerorts einhalten. Bis April 2020 war im Gesetz nur von »ausreichendem Abstand« die Rede. Die Abstandsregeln gelten auch für das Überholen von Radfahrern, die auf einem Radschutzstreifen unterwegs sind. Mit einem entsprechenden Verkehrszeichen kann zudem das Überholen von einspurigen Fahrzeugen untersagt werden.

Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht dürfen innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen. Das soll Unfälle im »toten Winkel« des schweren Fahrzeugs insbesondere mit Radfahrern und Fußgängern verhindern. Wer sich nicht daran hält, zahlt künftig 70 Euro und kassiert zudem einen Strafpunkt in Flensburg.

Die Rettungsgasse rettet Leben

Wer im Falle eines Staus die Rettungsgasse nicht bildet oder diese zum schnelleren Vorankommen missbraucht, zahlt künftig ein Bußgeld von 200 bis 320 Euro und erhält außerdem ein Fahrverbot von einem Monat sowie zwei Punkte in Flensburg.

Stärkung des Fahrradverkehrs

Für Gemeinden und Städte ist es inzwischen einfacher, sogenannte Fahrradzonen einzurichten: Hier gilt Höchsttempo 30 und Autos dürfen nur fahren, wenn ein Zusatzschild das erlaubt. Die neuen Zonen sollen die Verbreitung des Radverkehrs an geeigneten Stellen stärken und werden mit einem neuen Verkehrsschild gekennzeichnet.

Die immer populäreren Lastenräder, mit denen inzwischen in vielen Innenstädten Waren transportiert werden, haben mittlerweile ein eigenes Symbol für die Verwendung auf Schildern, um dieser Fahrzeugklasse beispielsweise eigene Parkzonen zuweisen zu können.

Die Fahrrad-Autobahn kommt

Ein weiteres neues Verkehrszeichen ist grasgrün. Es ähnelt dem Autobahnschild und weist sogenannte Radschnellwege (RS) aus. 50 Millionen Euro an Fördergeldern hat der Bund für den Ausbau eines solchen Wegenetzes eingeplant.

In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits die ersten Kilometer des RS1, der Duisburg mit Hamm auf einer Strecke von insgesamt 101 Kilometern lückenlos verbinden soll. In der Metropolregion Hamburg soll ein Radschnellnetz von rund 300 Kilometern entstehen, das sich an 500 000 Pendler richtet.

Neue Handhabe gegen »Auto-Poser«

In Zukunft bekommt die Polizei auch eine Möglichkeit, gegen das sogenannte Auto-Posing vorzugehen. Für das Verursachen von unnötigem Lärm und einer vermeidbaren Abgasbelästigung sowie das unnütze Hin- und Herfahren des »Auto-Posers« sind nunmehr Bußgelder bis zu 100 Euro vorgesehen.

Die einfachste Regel gilt weiterhin

Neben all den aufgeführten Neuerungen gilt eine Regel unverändert. Sie bewährt sich jeden Tag immer wieder und sollte von allen Menschen, die am Verkehr teilnehmen, stets beherzigt werden: »Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.« So heißt es in Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung. Wenn sich alle daran halten, ist schon viel für die Sicherheit und ein partnerschaftliches Miteinander getan.

Verpflichtende Assistenzsysteme

Neben den hier aufgeführten wichtigsten neuen Regeln gibt es auch Änderungen außerhalb der StVO: So müssen ab 6. Juli 2022 in typgenehmigten Pkw diverse Assistenzsysteme verbaut sein. In neu zugelassenen Pkw müssen diese ab Mitte 2024 vorhanden sein. Dazu zählen zum Beispiel ein Notbremsassistent, ein adaptives Notbremslicht, ein Müdigkeitswarner, ein Rückfahrassistent, ein Notfall-Spurhalteassistent und der Intelligente Geschwindigkeitsassistent ISA (Intelligent Speed Assistance).

Darüber hinaus wird unter anderem eine Black-Box für Pkw Pflicht, die ereignisbezogen Daten unmittelbar vor, während und nach einem Unfall aufzeichnet und anonymisiert speichert. Außerdem muss künftig eine Vorrichtung für eine »alkoholempfindliche« Wegfahrsperre vorhanden sein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.