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Der Ernstfall ist schon eingetreten
Mit Julius Kühn musste der erste deutsche EM-Handballer in Quarantäne. Das Team ist beunruhigt
Bratislava. Aus Spaß ist schneller als gewünscht Ernst geworden. Donnerstag war Julius Kühn noch zu Scherzen aufgelegt, seit Samstagabend ist der Rückraumspieler der deutschen Handball-Nationalmannschaft in seinem Hotelzimmer in Bratislava eingesperrt. »Wir haben spaßeshalber gesagt, dass wir nur gesund bleiben müssen, um in diesem Turnier weit zu kommen«, erklärte Kühn einen Tag vor dem Start der Deutschen in die Europameisterschaft. »Gesund bleiben« bedeutet im Moment nicht, Bänderrisse, Zerrungen oder Knochenbrüche zu verhindern. »Gesund bleiben« ist im Januar 2022 mehr denn je ein Synonym für die Tatsache, sich nicht mit dem Coronavirus zu infizieren.
Bei Julius Kühn hat das nicht geklappt, ein vom Veranstalter durchgeführter PCR-Test am Samstagmorgen ergab bei dem wurfgewaltigen Spieler ein positives Ergebnis. Seit Bekanntwerden des Resultats befindet sich Kühn in Isolation. 24 Stunden zuvor hatte der Melsunger mit sechs Treffern und einer starken Leistung am 33:29-Auftaktsieg des deutschen Teams gegen Belarus mitgewirkt. Für den Rest der Vorrunde bei der EM ist Kühn nun aber in jedem Fall zum Zusehen verdammt. Frühestens nach fünf Tagen können sich Spieler nach einem positiven Befund durch zwei negative PCR-Tests zurück in den Kader katapultieren. »Ich hoffe, dass ich möglichst bald wieder zum Team zurückkehren und das Turnier fortsetzen kann«, sagt der 28-jährige. »Für das Spiel gegen Österreich wünsche ich der Mannschaft viel Erfolg.« Sonntagabend schaltete Kühn den Fernseher an, um von seinem Hotelzimmer aus zu verfolgen, wie sich die Kollegen im Duell gegen den Nachbarn schlugen (nach Redaktionsschluss).
Kühn blieb vorerst der einzige Spieler aus der deutschen Mannschaft, der coronabedingt ausfiel. Ein Antigen-Test am Sonntag brachte keinen weiteren positiven Fall und ein PCR-Test, den die deutsche Delegation in Eigeninitiative durchführen ließ, war bis zum Abend noch nicht ausgewertet. Innerhalb der deutschen Delegation sprach öffentlich niemand darüber, aber mit dem ersten Coronafall innerhalb der deutschen Mannschaft ist die Furcht verbunden, dass er ein Auslöser für einen größeren Ausbruch sein könnte. »Wir können jetzt die Hygienemaßnahmen nicht nachschärfen, weil wir bereits alles getan haben, was wir können«, sagte Axel Kromer Sonntagmittag. Der Vorstand Sport beim Deutschen Handballbund (DHB) war zuletzt zurecht stolz darauf, dass es bislang bei internationalen Großturnieren oder Länderspielen keinen Corona-Ausbruch gegeben hatte - jetzt hat es auch den DHB erwischt.
Möglicherweise war das Testspiel der deutschen Handballer am vergangenen Sonntag gegen Frankreich der Auslöser für die Infektion. Bei den Franzposen gab es im Vorfeld der Begegnung positive Fälle. Möglicherweise wurde das Virus aber auch an anderer Stelle eingetragen. Kromer machte deutlich, dass er sich nicht auf die Suche nach dem Ursprung des Coronafalles machen wolle. »Es bringt nichts, weil wir es nicht aufklären können«, sagte der Sportvorstand, der darum bemüht war, den Tagesablauf für die Nationalspieler so wenig wie möglich zu beeinflussen. »Wir haben ein EM-Spiel, da soll die Routine nicht verändert werden.«
Innerhalb der deutschen Delegation hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sinnvoll ist, die Hygieneregeln so scharf wie möglich zu formulieren und so genau wie denkbar umzusetzen. Parallel dazu ist die Erkenntnis gewachsen, dass es angesichts der leicht übertragbaren Omikron-Variante des Erregers keine absolute Sicherheit gibt. Kromer hatte sich im Vorfeld der Europameisterschaft scherzhaft als »Karl Lauterbach des deutschen Handballs« bezeichnet - aber die Möglichkeiten des »Gesundheitsministers« sind begrenzt.
Als Ersatz für Kühn, der zunächst ohne Symptome der Krankheit blieb und dreifach geimpft ist, machte sich am Sonntag Hendrik Wagner auf den Weg in die slowakische Hauptstadt. Der Zweitliga-Spieler der Eulen Ludwigshafen konnte am Abend gegen Österreich noch nicht mitspielen, soll aber beim Vorrundenfinale gegen Polen am Dienstag zum Einsatz kommen. Die Deutschen setzen darauf, dass der Rückraumlinke der einzige Akteur bleibt, der für einen corona-erkrankten Kollegen einspringen muss. Die Hoffnung lebt, aber der Glaube hat durch den Fall Kühn einen Dämpfer erhalten.
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