Werbung

Weniger Busse wegen Omikron

Krankenhäuser rechnen mit baldigen Auswirkungen der neuen Pandemiewelle

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.
Der 100er wird ab Mittwoch deutlich seltener fahren – nur noch alle 20 Minuten.
Der 100er wird ab Mittwoch deutlich seltener fahren – nur noch alle 20 Minuten.

Ab Mittwoch dünnen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf zehn Buslinien den Takt aus. Denn seit wenigen Tagen mache sich die Pandemieentwicklung »mit steigenden Krankmeldungen und Quarantänezahlen bemerkbar«, wie das kommunale Unternehmen am Freitag mitteilte. Am heftigsten fällt der Einschnitt bei der vor allem bei Touristen beliebten Buslinie 100 vom Alexanderplatz zum Bahnhof Zoo aus. Wochentags soll nur noch alle 20 statt bisher alle 6 bis 7 Minuten ein Bus fahren. Am Wochenende wird ein 10-Minuten-Takt angeboten. Eher spüren dürften die Berlinerinnen und Berliner die Ausdünnungen auf den neun weiteren Buslinien wie X11, M43 oder 245, auf denen wochentags jede zweite oder dritte Fahrt gestrichen wird. Montags bis freitags sinkt das Angebot im Busbereich damit um 3,2 Prozent, samstags wird das Minus 1,2 Prozent betragen und sonntags nur ein halbes Prozent.

»Es werden weiterhin alle Bushaltestellen bedient«, sagt BVG-Sprecher Jannes Schwentu zu »nd«. Außerdem habe man vor allem dort das Angebot gekürzt, wo es weiterhin Alternativen gebe. Im Laufe der Woche wird die BVG weitere Einschnitte beim Angebot bekannt geben, die am kommenden Montag in Kraft treten sollen. »Es könnten dann auch die Straßenbahn und die U-Bahn betroffen sein«, sagt Schwentu. Das Paket sei aber noch in der Abstimmung.

»Die BVG hat gelernt aus dem Versagen von 2020«, lobt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB, dass diesmal mit ein paar Tagen Vorlauf konkrete Einschränkungen bekannt gegeben werden. »Der Knackpunkt ist leider die traditionell schlechte Fahrgastinformation«, schränkt Wieseke ein. Zu Beginn der Pandemie im März 2020 hatte das Landesunternehmen auf einen Schlag rund 13 Prozent des Angebots gekürzt, was teilweise zu stark überfüllten U-Bahnen und Bussen geführt hatte. »Damals war noch nicht klar, was auf uns zukommt - gleichzeitig war die Nachfrage auf 25 Prozent des Standes vor der Pandemie eingebrochen«, verteidigt BVG-Sprecher Schwentu das damalige Vorgehen.

»Wir fahren zur Zeit das volle Programm«, heißt es hingegen von einer Sprecherin der S-Bahn Berlin auf nd-Anfrage. Die S-Bahn hatte bereits Anfang Dezember Verstärkerfahrten im Berufsverkehr sowie am Wochenende gleich drei Linien gestrichen. Seit Anfang Januar wurden die Kürzungen schrittweise zurückgenommen.

Die Kürzungen im Nahverkehrsangebot sind keine große Überraschung. Denn Berlin ist voll in der Omikron-Wand, der fünften Infektionswelle der Corona-Pandemie mit fast senkrecht nach oben schießenden Inzidenzen. Dass der Wert laut den am Montag vom Landesamt für Gesundheit und Soziales veröffentlichten Zahlen hingegen im Vergleich zu Sonntag auf knapp 948 gesunken ist, dürfte vor allem daran liegen, dass nur zwei Bezirke am Sonntag überhaupt die Infektionszahlen übermittelt haben. Marzahn-Hellersdorf hat wegen Problemen mit der Datenbank zuletzt am 8. Januar eine Meldung abgesetzt.

»Wir sind am Limit, aber versuchen tagesaktuell zu arbeiten«, erklärt das Bezirksamt Pankow bei Twitter zur Lage bei der Kontaktnachverfolgung. Die Infektionszahlen entwickeln sich so, wie man es bisher noch nicht erlebt habe. »Dadurch können wir uns nur noch auf das absolut Notwendige konzentrieren«, heißt es.

Die sogenannte kritische Infrastruktur, also Energie- oder Wasserversorgung, Müllabfuhr, Sicherheitsbehörden oder Rettungsdienste ist den Aussagen der Betreiber zufolge trotz der Pandemielage offenbar bisher voll arbeitsfähig.

»An den Krankenständen macht es sich bei uns noch nicht so bemerkbar«, sagt Tino Brabetz, ein Sprecher der Berliner Feuerwehr, zu »nd«. Die Infektionszahlen unter den rund 5300 Beschäftigten seien allerdings in den letzten Wochen gestiegen auf aktuell 150. Noch einmal so viele Menschen seien in amtsärztlicher Quarantäne oder wegen Infektionsverdachts freigestellt. »Bisher gibt es keine großen Auswirkungen, die wir nicht kompensieren können«, so Brabetz weiter.

Deutlich geringer sind die Infektionszahlen bei den Berliner Wasserbetrieben. Von 40 positiv auf Corona getesteten Beschäftigten sowie 15 weiteren, die in Quarantäne sind, berichtet Sprecher Stephan Natz. »Das ist noch nichts, was uns irgendwie zu neuem Nachdenken bringt«, so Natz weiter. Insgesamt arbeiten etwa 4600 Menschen bei den Wasserbetrieben. Wer von zu Hause aus arbeiten könne, sei verpflichtet, das zu tun. Der Arbeitsbeginn der Beschäftigten, die beispielsweise in der Instandhaltung arbeiteten, sei etwas entzerrt worden, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. »Bei der Rückverfolgung von Infektionen ist in 95 Prozent der Fälle herausgekommen, dass die sich das zu Hause geholt haben«, berichtet Natz.

»Bisher haben wir noch keine Rückmeldungen zu massiven Personalausfällen durch Quarantäne oder Infektionen beim Krankenhauspersonal«, erklärt Barba Ogrinz, Sprecherin der Berliner Krankenhausgesellschaft, der Vereinigung der Träger von Krankenhäusern und stationärer Pflegeeinrichtungen sowie ihrer Spitzenverbände im Land Berlin. Allerdings gehe man davon aus, dass es zu vermehrten Krankmeldungen beim Personal »und damit zu Engpässen« kommen könne. »Mit einem baldigen Anstieg der Belegung auf den Normalstationen und in Konsequenz aus den Infektionszahlen auch mit vielen Patienten auf den Intensivstationen ist zu rechnen«, so Ogrinz weiter.

Die Politik sei gefordert, die Krankenhäuser »maximal zu unterstützen«. Finanzielle Einbußen aufgrund der Freihaltung von Betten für Covid-Erkrankungen müssten abgefedert werden. Gefordert werden von der Krankenhausgesellschaft auch Erleichterungen bei der Bürokratie und die Ermöglichung einer »Flexibilisierung des Personaleinsatzes«. »Dass das 100-Tage-Programm des Berliner Senats andere Prioritäten festlegt, überrascht«, so die Krankenhausgesellschaft.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.