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Nur eine Frage der Zeit
Im Wuppertaler Osterholz stehen Räumung und Rodung an. Die Besetzer wollen weiter Widerstand leisten
Montagmorgen, Morgengrauen im Osterholz bei Wuppertal. Seit zweieinhalb Jahren ist ein Teil des Waldstücks besetzt. Gut 20 Menschen haben sich bei einer Mahnwache an einem Waldweg eingefunden. Seit Wochen stehen die Mitglieder der Bürger*inneninitiative »Osterholz Bleibt« hier jeden Morgen ab sechs Uhr. Meistens sind es weniger als eine Handvoll Menschen. An diesem Montag sind es mehr, weil es Hinweise gab, dass eine Räumung beginnen könnte.
Das Osterholz liegt am westlichen Rand von Wuppertal. 1500 Bäume sollen hier gefällt werden. Sie würden dann einer Abraumhalde des benachbarten Kalksteinbruchs der Firma Oetelshofen weichen. Mit Abraum ist Erdaushub gemeint, den der Kalksteinbruch nicht gebrauchen kann. In den Worten der Bürger*inneninitiative handelt es sich um »Müll«, für den ein intakter Wald gerodet werden soll. Die Auseinandersetzung um das Osterholz zieht sich seit zweieinhalb Jahren hin. Im Sommer 2019 gründete sich die Initiative »Osterholz bleibt«. Parallel dazu besetzten Klimaaktivist*innen einen Teil des Waldes. Ein kleines Baumhausdorf entstand. Seitdem gibt es ein ständiges Hin und Her. Räumungsankündigungen, Versuche, den Wald auf juristischem Weg zu retten, Runde Tische und Versuche, an Alternativlösungen für den Abraum zu arbeiten, wechseln sich ab.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Der letzte Versuch, eine Rodung zu verzögern, scheiterte. Die Bürger*inneninitiative hatte angemahnt, dass der Kampfmittelräumdienst das Gebiet sechs Monate vor der Haldenerweiterung absuchen muss. Das ist bisher nicht geschehen. Aus Sicht der Initiative hätte dies auch vor einer Rodung und Räumung passieren müssen. Schweres Gerät im Wald sorge für Erschütterungen, so ihre Argumentation. Polizist*innen seien genauso wie Waldschützer*innen gefährdet, so die Argumentation der Bürger*inneninitiative. Ein entsprechender Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht wurde am Montag abgelehnt.
Zurzeit gibt es noch eine Beschwerde der Bürger*inneninitiative beim Bundesverfassungsgericht, nachdem das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht die Rodung des Walds im Herbst für rechtens erklärt hatte. Eine Entscheidung aus Karlsruhe gibt es noch nicht. Das Gericht hat auch keinen Beschluss erlassen, der eine Rodung bis dahin stoppt. Und so rücken Räumung und Rodung derzeit jeden Tag näher.
Einer, dem das auch gar nicht passt, ist Wuppertals Grünen-Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Er wurde im Oktober 2020 gewählt und hat die ungeklärte Lage im Osterholz quasi geerbt. Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte Schneidewind, der vor seiner Wahl das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie leitete, eine lange Erklärung, in der er seine Sicht auf den bedrohten Wald schilderte. Sein Fazit: Der Wald darf gerodet werden. Das sei im Angesicht des Klimawandels zwar unzeitgemäß, derzeit aber rechtlich nicht zu beanstanden. Landes- und Bundesgesetze zum Waldschutz und zur Abraumentsorgung müssten so geändert werden, dass es in Zukunft nicht mehr möglich ist, einen intakten Wald zu roden. Für Schneidewind ist das Osterholz ein richtiges Problem. Als renommierter Klimaforscher war er in den Wahlkampf gezogen und hatte angekündigt, am Beispiel von Wuppertal zu zeigen, wie man eine (arme) Stadt in die klimagerechte Zukunft überführen kann. Bundesweite Schlagzeilen über die Zerstörung eines Waldes, der auch ein beliebtes Nahherholungsgebiet ist, wollen da nicht ins Bild passen. Schneidewind hofft, dass friedlicher Protest im Osterholz dabei helfen kann, die entsprechenden Gesetze zu ändern. Für René Schuijlenburg von der Bürger*innenintiative betreibt Schneidewind in erster Linie »Schadensbegrenzung«. Er erinnert daran, dass sich die Grünen im Jahr 2019 bei einer Ratsabstimmung zum Osterholz mehrheitlich für die Rodung des Waldes ausgesprochen hatten. Schuijlenburg gesteht Schneidewind allerdings auch etwas zu. »Wir glauben jedoch schon, dass Schneidewind versucht, eine Rodung zu vermeiden.« Allerdings ist der Sprecher der Bürger*inneninitiative pessimistisch, dass dies dem Oberbürgermeister gelingen wird. Auch ein aktueller Vorschlag Schneidwinds scheint nicht erfolgreich zu sein. Oetelshofen könne seinen Abraum doch bei einem benachbarten Kalkwerk entsorgen. Die Firmen sind Konkurrenten. Der Vorschlag erntete bei Oetelshofen keine Begeisterung. Dass er den Wald rettet, ist also unwahrscheinlich.
Am Dienstag und Mittwoch war das Bild im Osterholz ähnlich wie am Montag. Unterstützer*innen kamen in den Wald, die Polizei nicht. Die Beamt*innen flogen am Dienstag aber 20 Minuten mit einem Hubschrauber knapp über den Baumkronen. Sie erkunden das Gelände, das sie räumen sollen. Wann das passiert, ist weiterhin unklar. Lange dauern dürfte es allerdings nicht mehr.
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